Europäische Zentralbank:Rettungsschirm und Versprechen

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Wieso die EU besser gegen eine Finanzkrise gewappnet ist. An diesem Montagnachmittag wollen die EU-Finanzminister beraten, wie sie mit der Corona-Krise umgehen.

Von Björn Finke und Markus Zydra, Brüssel/Frankfurt

Christine Lagarde bei der Pressekonferenz am Donnerstag: Die neue EZB-Chefin schürte kurzzeitig Zweifel, ob die Notenbank Italien in einer Krise ausreichend helfen würde. (Foto: Thomas Lohnes/Getty Images)

Am Ende soll eine hohe Zahl stehen, eine sehr hohe: An diesem Montagnachmittag kommen die EU-Finanzminister zu ihrem monatlichen Austausch in Brüssel zusammen, und Thema ist natürlich die Corona-Epidemie. Die Minister werden ihre Hilfspakete für die Wirtschaft vorstellen. Mário Centeno verspricht eine "sehr große" Antwort der Staaten. Der Portugiese leitet die Euro-Gruppe, also die Treffen der Finanzminister aus den Ländern mit der Gemeinschaftswährung. Er sagt, bislang gehe es bei Corona nur um eine Gesundheitskrise, und es würde "total unverantwortlich sein, durch Untätigkeit" sich diese in eine Vertrauens- und Finanzkrise entwickeln zu lassen.

Dass die Finanzmärkte bereits nervös sind - so sehr wie seit 2008 nicht mehr -, zeigt auch eine Episode vom Donnerstag. Der neuen EZB-Präsidentin Christine Lagarde unterlief bei ihrer Pressekonferenz ein schlimmer Lapsus. Ihr Vorgänger Mario Draghi versprach 2012, er werde den Euro retten, "whatever it takes", was immer dafür nötig sein werde. Die Kreditkosten klammer Staaten wie Italien waren damals kräftig gestiegen, Spekulanten wetteten gegen die Länder. Draghi kündigte an, zur Not deren Staatsanleihen zu kaufen. Daraufhin gaben die Spekulanten auf, und die Zinsen sanken deutlich. Lagarde weckte jetzt für einen viel zu langen Moment Zweifel an diesem Versprechen.

Auf die Frage, was die EZB tun könne gegen die steigenden Finanzierungskosten für die hoch verschuldete Regierung in Rom, sagte sie nonchalant, dafür sei die Notenbank nicht da. Plötzlich zweifelten die Märkte an ihrer Entschlossenheit. Die Kurse an den Bösen fielen, trotz der verabschiedeten EZB-Maßnahmen. In der Bank war der Stab schockiert, man schickte Lagarde - die mit dem Ruf einer geschickten Kommunikatorin angetreten war - zum Finanzfernsehsender CNBC. Im Interview stellte die Französin klar, dass Draghis Versprechen noch gelte.

Draghis Worte mündeten in das sogenannte OMT-Rettungsprogramm. Das sieht den Kauf von Staatsanleihen vor, musste jedoch nie genutzt werden. Seine bloße Existenz reicht bereits, um Spekulanten abzuschrecken. Nach Lagardes Äußerungen stiegen aber die Renditen für zehnjährige Anleihen Italiens von 1,3 auf 1,8 Prozent. Zum Vergleich: Zum Höhepunkt der Euro-Staatsschuldenkrise zahlte Italien sieben und mehr Prozent für Kredite. Griechenland steuerte gar auf 30 Prozent zu.

Nach einer dräuenden neuen Staatsschuldenkrise sehen die Anleihenrenditen daher nicht aus. Zwar trifft die Epidemie bisher Italiens Wirtschaft besonders stark, und es ist möglich, dass Kreditausfälle darbender Unternehmen einzelne Banken in Schwierigkeiten bringen. Aber Fachleute verweisen darauf, dass die Epidemie - hoffentlich - nur einen temporären Schock darstelle. Werden Quarantänen aufgehoben und kurbeln Finanzminister die Konjunktur an, sollte die Wirtschaft aufholen können. Trotzdem schätzt die EU-Kommission, dass Corona das Wachstum 2020 um 2,5 Prozent vermindern wird: In den meisten Mitgliedstaaten würde die Wirtschaft schrumpfen. Die Prognose berücksichtigt jedoch keine Gegenmaßnahmen.

Im Vergleich zur Finanzkrise halten Europas Banken nun auch mehr Kapital vor, können Verluste besser wegstecken. Anders als zum Start der Griechenland-Krise existiert zudem der Euro-Rettungsschirm ESM, der Staaten in Engpässen mit Krediten aushilft. Bereits am Freitag tauschten sich Finanz-Staatssekretäre der Euro-Länder darüber aus, ob es sinnvoll wäre, schon jetzt dem ESM eine prominentere Rolle bei der wirtschaftlichen Bewältigung der Epidemie zu geben, bevor überhaupt erste Zweifel an den Märkten aufkommen. Und dann gibt es noch Draghis Versprechen - dem sich Lagarde ebenfalls verpflichtet fühlt.

© SZ vom 16.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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