Europäische Union:Steuerpranger für Konzerne

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Kritiker werfen dem Onlinehändler Amazon vor, mit findigen Tricks seine Steuerlast in Europa zu drücken. Die EU-Kommission will die Regeln vereinheitlichen. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Die EU-Staaten lösen die jahrelange Blockade eines Gesetzes gegen Steuertricks der Unternehmen auf. Nun können die Verhandlungen mit dem Europaparlament beginnen.

Von Björn Finke, Brüssel

Die EU-Regierungen haben am Donnerstag den Weg für ein Gesetz gegen Steuertricks der Konzerne freigemacht. In einer Videokonferenz der Wirtschaftsminister sprach sich eine ausreichend große Mehrheit dafür aus, Verhandlungen mit dem EU-Parlament über eine entsprechende Richtlinie aufzunehmen. Die Kommission präsentierte den Gesetzentwurf bereits 2016, ein Jahr später einigte sich das Europaparlament auf seine Verhandlungsposition, doch im Ministerrat, dem Entscheidungsgremium der Mitgliedstaaten, war das Vorhaben jahrelang blockiert. Nun aber können Ministerrat und Parlament Gespräche beginnen.

Den formellen Beschluss dazu müssen die EU-Botschafter fassen; sie sollen sich damit kommende Woche beschäftigen. Die Verhandlungen mit dem Parlament dürften einer Verabschiedung nicht im Wege stehen - die entscheidende Hürde war der Zwist im Ministerrat. Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold schätzt, die Verhandlungen würden "recht schnell zu einem Ergebnis kommen".

Die Richtlinie führt die Pflicht zum sogenannten "Public country-by-country reporting" ein: Große Unternehmen müssen künftig im Internet veröffentlichen, wie viel Umsatz und Gewinn sie mit wie vielen Mitarbeitern in jedem einzelnen Mitgliedstaat erzielen - und wie viel Steuern sie auf den Gewinn gezahlt haben. Die gleichen Daten müssen die Konzerne für Länder angeben, die auf der schwarzen Liste der Steueroasen stehen, welche die EU herausgibt.

Solche Informationen tauschen bislang nur die Finanzämter untereinander aus. Könnte künftig jeder Bürger, jeder Journalist oder jede Kampagne gegen Steuerflucht die Daten einsehen, würden all jene Konzerne unter Druck geraten, die besonders findig Gewinne in Länder mit niedrigen Steuersätzen verschieben. Peinlich wäre das auch für die EU-Staaten, die davon profitieren: etwa Luxemburg, wie kürzlich wieder die OpenLux-Enthüllungen der Süddeutschen Zeitung und anderer internationaler Medien gezeigt haben. Auf der anderen Seite entgehen Deutschland annähernd sechs Milliarden Euro Steuereinnahmen pro Jahr durch Gewinnverlagerungen, ergeben Berechnungen des Münchner Ifo-Instituts.

Wirtschaftsverbände fürchten, die Berichtspflichten könnten Firmen schaden, da sie Rivalen Hinweise auf die Profitabilität in einzelnen Ländern liefern. Der Gesetzentwurf greift diese Bedenken teilweise auf; er sieht vor, dass Unternehmen manche Daten erst sechs Jahre später veröffentlichen müssen. Betroffen sind zudem nur Konzerne mit mindestens 750 Millionen Euro Umsatz.

Die EU-Wirtschaftsminister versuchten zuletzt im November 2019, die nötige qualifizierte Mehrheit für den Gesetzentwurf zu finden: Das entspricht in etwa einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Dies scheiterte. Doch kurz darauf verpflichtete Österreichs Parlament seine Regierung, derartige Initiativen künftig zu unterstützen, und änderte damit die Mehrheitsverhältnisse. Seitdem war allerdings keine Abstimmung angesetzt. Deutschland enthielt sich am Donnerstag, da in Berlin die SPD für das Vorhaben ist und die Union dagegen.

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