Schuldenkrise in Europa:Wie Spaniens Banken den Euro gefährden

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Spaniens Bauruinen lasten betonschwer auf den Bilanzen der Banken - und bringen den Euro ins Wanken. Nun will Madrid EU-Rettungsgeld. Europa muss die Regierung und jede einzelne Bank eisern kontrollieren - im Interesse Spaniens und Europas.

Sebastian Schoepp

Spaniens Banken haben sich an ihren Kunden und an ihrem Land versündigt. Sie haben während des Immobilienbooms Kleinverdienern Kredite hinterhergeworfen, von denen schon vor der Wirtschaftskrise zweifelhaft war, ob diese sie je würden zurückzahlen können. Sie haben Geld in einen aufgeblähten Bausektor gepumpt und damit einem spekulativen Pyramidenspiel Nahrung gegeben.

Madrid hat Bankenhilfe beantragt. Doch die spanischen Kreditinstitute brauchen vor allem: Lernhilfe.  (Foto: REUTERS)

Das Ergebnis sind Bauruinen, die betonschwer in den Bilanzen der Banken lasten. Der Verband spanischer Bank- und Sparkassenkunden (Adicae) hat vor Jahren davor gewarnt, dass das nicht gut gehen kann. Die Warnungen verhallten ungehört - bis die Blase platzte. Nun bringt Spaniens Bankenkrise sogar den Euro ins Wanken.

Die Immobilie ist für Spanier der wichtigste materielle Wert

Adicae schätzt, dass eine Million Spanier ihre Hypothekenschulden nicht bezahlen können. Jede Woche werden Familien aus ihren Wohnungen geworfen. Viele Banken sitzen auf Immobilien, die sie weit unter Wert verschleudern müssen. Immerhin sind die größten Institute Santander, BBVA und La Caixa gesund, weil sie das Spiel nicht in dem Ausmaß mitspielten und ihr Heil im Auslandsgeschäft suchten. Aber auch bei ihnen gibt es den Hang zum Größenwahn, wie die pharaonische "Finanzstadt" von Banco Santander vor den Toren Madrids zeigt.

Die Immobilie ist für Spanier traditionell der wichtigste materielle Wert. 90 Prozent der Bürger sind Eigentümer. Vor allem kleine Sparkassen machten sich den Traum vom eigenen Heim zunutze, sie schufen eines der dichtesten und teuersten Filialnetze der Welt - um "nah am Kunden zu sein", wie es hieß. "Um den Kunden so viele Produkte wie möglich aufzuschwatzen, die er nicht versteht", sagt Adicae-Chef Fernando Herrero. Die Bank von Spanien ahnte, dass etwas faul war. Doch auch dort verhallten Warnungen ungehört, wie Funktionäre hinter vorgehaltener Hand zugeben.

Der Staat pumpte Milliarden ins System, die Last trugen die Anleger

Im Jahr 2010 machte Banco de España endlich den fälligen Stresstest - mit dem Ergebnis, das wackelnde Sparkassen zu großen Einheiten verschmolzen wurden, wie etwa Bankia. Der Staat pumpte Milliarden ins System, doch die größte Last trugen die Anleger. Guthaben von Kleinsparern wurden in Aktien der neuen Gesellschaften umgewandelt. 45 Milliarden Euro haben die Anleger auf diese Weise in die Sanierung investiert. Im Falle Bankias ist sie gescheitert. Mit dem Ergebnis, dass viele Bankkunden nun auch ohne Spargroschen dastehen.

Die Regierung schottete sich ab, wollte nicht, dass das ganze Ausmaß ans Licht kommt. Die im Dezember als Retterin angetretene konservative Volkspartei (PP) übte sich in Hinhaltetaktik. Erst unter Druck ließ die Regierung internationale Prüfer ins Land.

Nun hat Madrid zwar in Brüssel einen Antrag auf Hilfe gestellt, nennt aber keine Summe, man will Zeit gewinnen. Ministerpräsident Mariano Rajoy fordert, dass das Geld ohne Umweg über den Staat an die klammen Banken fließt, um den Haushalt nicht zu belasten. Angela Merkel will das Gegenteil. Letztlich ist es wahrscheinlich einerlei. Zu sehr sind Banken und Regierung miteinander verwoben, wie schon die Bestellung des PP-Fahrensmanns Rodrigo Rato zum Chef von Bankia zeigte.

Die Banken machen weiter wie bisher

Auch bei den Banken ist wenig Lerneffekt feststellbar. Statt sich neue Geschäftsfelder zu erschließen, machen sie weiter wie bisher. Sie bieten sogar Arbeitslosen Wohnungen zum Kauf an - neue Kreditrisiken sind programmiert. Die Bank von Spanien wird unter ihrem farblosen neuen Chef Luis María Linde erst beweisen müssen, ob sie dazugelernt hat.

Die Sozialisten schweigen schuldbewusst, weil sie dem Wahn in ihrer Regierungszeit keinen Einhalt boten. Bleiben als Kontrollinstanz Verbände und Bürgerplattformen. Sie versuchen, Menschen vor dem Verlust der Wohnung zu schützen, Umschuldungen und Aufschübe zu erwirken oder Rodrigo Rato vor Gericht zu bringen. Vor allem aber wollen sie die Bürger zu kritischeren Konsumenten erziehen.

Die europäischen Partner haben angekündigt, genau hinzusehen, was mit ihren Milliarden passiert. Die EZB sollte auf keinen Fall kritische Papiere als Sicherheiten anerkennen. Das würde die Bankster in dem Gefühl bestärken, tun zu können, was sie wollen. Eiserne Kontrolle - nicht nur der Regierung, sondern jeder einzelnen Bank - ist nötig, im Interesse Spaniens und Europas.

© SZ vom 26.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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