Jean-Claude Juncker sitzt in der ersten Bank des Europaparlaments und klopft seinem Banknachbarn, dem lettischen Euro-Kommissar Valdis Dombrovskis, auf die Schulter. Dann steht Juncker auf und begrüßt Jeroen Dijsselbloem, den Präsidenten der Euro-Gruppe. Dombrovskis sitzt kurz alleine da. Dann steht auch er auf, geht zu Dijsselbloem. Handschlag, Lächeln. Los geht's.
Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission, ist an diesem Dienstagmorgen mit Dombrovskis und Dijsselbloem nach Straßburg gekommen. Die Drei wollen reden. Über den Euro und die angestrebte Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion. Neben den Schengen-Reformen infolge der Flüchtlingskrise ist dies die derzeit zentrale Reformanstrengung der Europäischen Union. Grundlage für die Generaldebatte im Parlament ist der sogenannte Fünf-Präsidenten-Bericht. Diesen hat Parlamentspräsident Martin Schulz mit Juncker, Dijsselbloem und dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, vorgelegt. Einen Präsidenten vergisst Schulz allerdings: Donald Tusk, den Präsidenten des Europäischen Rates. Der war auch noch dabei.
Dijsselbloem eröffnet die Debatte. Er spricht von makroökonomischen Ungleichgewichten, von geteilten Risiken und von Souveränität, die alle Staaten an die EU abgeben müssten. Es ist eine sehr allgemeine Rede, auch die Forderung einer europäischen Einlagensicherung fällt einmal. Juncker wiederum verweist auf die soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion. Wenn zum Beispiel ein neues Hilfsprogramm für ein Mitgliedsland nötig werde, müsse eine Abschätzung der sozialen Folgen auf der Agenda stehen. So wie zuletzt im Fall Griechenland, betont Juncker, wo der Euro-Rettungsfonds als "finanzielle Firewall" eingesetzt worden sei.
Im Anschluss sind die Abgeordneten des Parlaments an der Reihe. So versöhnlich die Wortbeiträge aus der Europäischen Volkspartei und von Seiten der Sozialdemokraten auch klingen, so stark greifen Abgeordnete von links und rechts die Präsidenten an. Bernd Lucke (früher AfD, jetzt Alfa) fragt, warum es in Europa eine Investitionslücke und keine Inflation gebe. Die Antwort gibt er selbst: "Wir wissen es nicht, aber am Euro liegt es ganz bestimmt nicht." Luckes Versuch mit Ironie zu punkten, kontert Fabio De Masi (Linke) mit einem Zitat des Ökonomen Thomas Piketty. Der habe einmal gesagt, die Architektur des Euro sei ein Monster. Sven Giegold (Grüne) wiederum fordert von Deutschland und Frankreich mehr Mut, Reformen anzupacken. Sonst werde der Euro nicht zu halten sein.
Am Ende der Debatte bekennt Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem, dass man in der Euro-Krise Fehler gemacht habe. Aber jetzt müsse man eben die Einlagen der Bürger sichern und den Kreditfluss in Europa wieder anschieben: "Also machen wir es doch." Sagt es und geht zurück in die erste Bank.