Euro-Finanzminister:Trickser am Rettungsschirm

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Enorme 800 Milliarden Euro soll er nun schwer sein, haben die Finanzminister beschlossen. Dabei zählen sie einfach Gelder zum Rettungsschirm, die bereits vergeben sind. Statt tatsächlich den Fonds größer zu machen, rechnen sie sich den Rettungsschirm schön. Wenn das mal gutgeht.

Cerstin Gammelin, Kopenhagen

Die Finanzminister der 17 Euro-Länder boten am Freitag ein atemberaubendes Schauspiel. Unter dem Titel "Die Krise begann mit Luftbuchungen - mit Luftbuchungen machen wir weiter", führten die Minister erstaunliche Zahlenspiele auf. Gäbe es eine Auszeichnung für kreative Buchführung - die europäischen Schatzmeister wären konkurrenzlos Anwärter.

Großes Interesse für Dänemarks Ministerin Margrethe Vestager. (Foto: dpa)

Die Herrschaften hatten sich eigentlich versammelt, um endlich das zu beschließen, was die Währungsunion unangreifbar machen soll. Ein für alle Mal wollten sie ein finanzielles Bollwerk errichten, und das sollte aus so unvorstellbar vielen Milliarden Euro bestehen, dass kein Spekulant der Welt mehr Lust haben würde, darüberzusteigen und Unheil in der Euro-Zone anzurichten.

Es ging also um Vertrauen und Stabilität, zwei in den vergangenen Jahren gerne gebrauchte Vokabeln. Das Treffen sollte den Bürgern der Euro-Zone und dem Rest der Welt zeigen: Wir bewahren unsere Währung, wir machen sie sicher, rechnet mit uns.

Das Vorhaben ist gründlich misslungen. Denn die Minister präsentierten keine uneinnehmbare Mauer, sondern Zahlen-Voodoo. Wie schon in den guten alten Zeiten, als sie mit griechischen Statistiken jonglierten, verbogen sie erneut die Wahrheit, als über die Ausstattung der angeblich über die Zukunft der Gemeinschaft entscheidenden Krisenfonds beschlossen werden sollte.

Vor einem Jahr beschloss die Euro-Gruppe, diesen ständigen Stabilitätsmechanismus ESM mit 500 Milliarden Euro auszustatten. Das Geld sollte ausreichen, um notleidenden Euro-Staaten zu helfen. Der Beschluss war kaum gefallen, da hob das Geschrei an: Zu wenig Geld sei eingeplant, die Summe reiche nicht, wenn Spanien, Italien oder gar Frankreich Hilfe benötigten.

Deutschland stellte sich taub, weigerte sich trotz des bedrohlich anschwellenden Lärms, die Summe zu erhöhen. Es wurde einsam um die Deutschen, aber endgültig kippte die Stimmung erst, als der wahlkämpfende französische Finanzminister einstimmte und seinerseits nach einem Bollwerk aus 1000 Milliarden Euro verlangte.

Um allen gerecht zu werden, begannen die Zahlenspiele. Und in der Abschlusserklärung steht, man habe mehr als eine Billion Dollar mobilisiert. Die Finanzminister waren sich bei ihrem Rechenwerk nicht zu schade, kurz mal die eigene Währung zugunsten des Dollars aufzugeben - nur damit die Summe die magischen zwölf Nullen aufweist. Wer genau hinschaut, der erkennt die Luftnummer.

Richtig ist: Es gibt tatsächlich nur 500 Milliarden Euro an neuen Krediten für den ESM. Alle anderen Milliarden haben die Minister aus den Trickkisten zusammengeklaubt. Das meiste Geld ist allemal längst ausgegeben oder verplant, steht also nicht zur Verfügung für die nächste Krise.

Nach diesem Schauspiel bleibt nur die bittere Erkenntnis: Der Euro-Klub hat nichts gelernt.

© SZ vom 31.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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