EU und die Causa Opel:Passiv und ahnungslos

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Normalerweise wird die EU-Kommission gerne von sich aus aktiv. Doch jetzt tut sie nichts: Die oberste EU-Behörde schützt die deutschen Wahlkämpfer.

Cerstin Gammelin

Die Bundestagswahl hat die Europäische Kommission in eine Art Schockstarre versetzt. Die Behörde sieht nichts, sie hört nichts, und sie weiß derzeit auch nicht genug, um über drängende europäische Angelegenheiten zu entscheiden, wenn sie denn in irgendeiner Weise mit deutschen Wahlkampfthemen verknüpft sind.

Normalerweise ist die EU-Kommission nie um eine Empfehlung verlegen. Im Wahlkampf will sie lieber nichts sagen, was den Ausgang des Votums im größten Mitgliedsstaat beeinflussen könnte. (Foto: Foto: AP)

Die angebliche Ahnungslosigkeit der Brüsseler Beamten nimmt inzwischen bizarre Züge an.

Ausgerechnet die europäischen Wettbewerbshüter, die normalerweise unerbittlich jeden Mitgliedsstaat verfolgen, der sich womöglich nicht an gemeinsame Regeln hält, sind in der Causa Opel passiv und ahnungslos zugleich.

Details aus den Vertragsverhandlungen liegen angeblich nicht vor, obwohl exakt diese Details sehr wohl entscheidend dafür sind, ob die von Deutschland versprochenen Milliarden tatsächlich in Brüssel genehmigt werden. Auf die Idee, sich diese in den Medien bereits veröffentlichten Informationen zu besorgen, kommen die Beamten nicht.

Das ist verwunderlich, weil die Kommission gerne von sich aus aktiv wird. Zu Beginn des Jahres ließ die Behörde regelmäßig das Internet nach Hinweisen auf unrechtmäßig eingeführte Abwrackprämien durchsuchen. Wurde ein Sünder aufgespürt, erhielt er Post aus Brüssel.

Jetzt warten die Beamten auf die Opel-Details. Berlin will sie in den nächsten Wochen liefern - vermutlich nach dem Wahltag, wenn Jobgarantien nicht mehr in Wählerstimmen umgerechnet werden.

Ähnlich geht es in anderen Ressorts zu. Die Finanzexperten können ausgerechnet jetzt nicht erklären, ob die von einigen deutschen Wahlkämpfern versprochenen Steuersenkungen angesichts der höchst desolaten Staatsfinanzen tatsächlich sinnvoll und realisierbar sind.

Solche Pläne zu prüfen, gehört allerdings zu den Aufgaben von Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia. Der Spanier ist normalerweise nie um eine Empfehlung verlegen. Aber im Wahlkampf, das gibt er offen zu, will er lieber nichts sagen, was den Ausgang des Votums im größten Mitgliedsstaat beeinflussen könnte.

Ebenso schweigen die Rechtsexperten der Kommission, die direkt dem amtierenden Präsidenten José Manuel Barroso unterstellt sind. Auf deren Schreibtischen liegt seit Monaten das umstrittene VW-Gesetz, gegen das die Behörde eigentlich erneut vorgehen will.

Nun hat sich aber die deutsche Kanzlerin in Brüssel persönlich für das Gesetz eingesetzt, das den Autobauer Volkswagen vor Übernahmen schützen soll. Seither prüfen Barrosos Juristen den hochkomplizierten Sachverhalt - bisher ohne Ergebnis.

Dass die Behörde so viel Rücksicht auf die Belange der mächtigen Deutschen nimmt, verärgert die europäischen Partner. Zu Recht. Denn eigentlich ist die Kommission dazu da, die Interessen aller 27 Mitgliedsländer auszugleichen. Dass sie dieser Pflicht ausgerechnet dann nicht nachkommt, wenn sich ihr Präsident um eine zweite Amtszeit bewirbt, sät neues Misstrauen.

© SZ vom 16.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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