EU: Neue Strategie:Große Pläne in Brüssel

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Die "Lissabon-Strategie" ist gescheitert - jetzt stellt Kommissions-Präsident Barroso eine ehrgeizige Strategie der EU für Wachstum und Beschäftigung bis 2020 vor.

Johannes Boie

Die EU soll wirtschaftlich stabiler, bildungspolitisch erfolgreicher und umweltfreundlicher werden. Diese und weitere Ziele sind in einer neuen Strategie für sämtliche Mitgliedstaaten definiert, die EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch vorgestellt hat. Das Programm " Europa 2020" löst damit ab sofort die " Lissabon-Strategie" ab, die als gescheitert gilt.

Die Kommission hat sich dieses Mal auf fünf genau festgelegte Ziele beschränkt, die die Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2020 erreichen sollen. Zwei davon betreffen Wirtschaft und Forschung: So sollen mindestens 75 Prozent der Bevölkerung eines jeden Landes einen Arbeitsplatz haben, drei Prozent des europäischen Bruttoinlandsproduktes sollen in Forschung investiert werden.

In umweltpolitischer Hinsicht fordert die Kommission von den Mitgliedstaaten, Klima und Energiepolitik effizienter zu gestalten. Der Ausstoß von schädlichen Treibhausgasen soll um mindestens ein Fünftel gegenüber 1990 gedrosselt werden.

Weniger Armut

Der Anteil erneuerbarer Energien soll auf 20 Prozent steigen, der Verbrauch von Primärenergie gleichzeitig um 20 Prozent sinken. Im Sozialbereich sollen die Zahlen der Schulabbrecher gesenkt werden, und zwar unter zehn Prozent. Mindestens 40 Prozent der jüngeren Menschen eines Landes sollten sogar über einen Hochschulabschluss verfügen, so das Ziel. EU-weit soll die Zahl armer Menschen um 20 Millionen auf 60 Millionen Menschen sinken.

Um die Ziele zu erreichen gibt die Kommission den einzelnen Ländern sieben Handlungsempfehlungen. Der Fokus liegt dabei zum Beispiel auf der Förderung von Jugendlichen und dem effizienten Einsatz des Internets. Mit höchster Priorität sollen die Länder aber als Lehre aus der Krise zunächst eine Reform der Finanzsysteme anstreben.

"Mit dem Programm 2020 legen wir nicht fest, was wir im Jahr 2020 tun wollen", sagte Barroso am Mittwoch. "Sondern was wir bis dahin erreichen möchten." Die Arbeit beginne jetzt sofort, die gesteckten Ziele seien "ehrgeizig, aber realistisch." Gleichwohl kann die Kommission nur Handlungsempfehlungen an die Mitgliedsländer der EU herausgeben.

"Maßnahmen vorschlagen und politische Unterstützung gewähren" seien die äußersten Möglichkeiten der EU, sagte Barroso. In dem Programm sind keine Sanktionen oder Rechtsmittel gegen Länder vorgesehen, die sich an den Maßnahmenplan nicht halten werden. Die Staats- und Regierungschefs seien aber persönlich gefordert, das Programm umzusetzen, sagte Barroso.

Problem: die Schulpolitik

Mit dieser Forderung dürfte der Kommissionspräsident vor allem in Deutschland Schwierigkeiten haben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vorab bemerkt, dass man nur Zielen zustimmen werde, die nachweislich erreichbar seien. Problematisch sind in Deutschland zum Beispiel Forderungen, die die Schulpolitik betreffen: Diese ist Sache der Bundesländer und kann von Berlin aus kaum beeinflusst werden.

Nicht nur von Deutschland aus wird auch an der Vermischung von europäischem Stabilitätspakt und dem neuen "Europa 2020"-Programm geübt. Die Inhalte der beiden Agenden sollten streng getrennt bleiben, sagte Barroso zu dieser Kritik am Mittwoch. Der Zeitablauf der beiden Programme müsse aber vereinheitlicht werden. "Es wäre sinnlos, sich zu treffen und über das eine Thema zu sprechen, das andere aber auszusparen, nur weil man die beiden Programme getrennt halten möchte", sagte Barroso.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sieht die Vorschläge deutlich distanziert. Die von Brüssel angestrebten Ziele könnten "nicht die vertiefte und differenzierte Analyse von Wachstumschancen und -risiken, insbesondere auf der Ebene der Mitgliedstaaten ersetzen", erklärte er.

© SZ vom 04.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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