EU-Kommission:Genug ist genug

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Bella Italia und seine Finanzprobleme gehören derzeit zu den größten Herausforderungen der EU: Straßenszene in Rom. (Foto: Alessia Pierdomenico/Bloomberg)

Im Schuldenstreit mit Italien bereitet Brüssel ein Strafverfahren gegen Rom vor. Die Regierung in Rom tut nicht genug, um den massiven Schuldenberg des Landes zu senken. Deshalb ging ein Mahnbrief nach Italien.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Im Schuldenstreit mit Italien dürfte die EU-Kommission am kommenden Mittwoch den ersten Schritt zu einem Defizitverfahren beschließen. EU-Diplomaten zufolge wird die Brüsseler Behörde wohl feststellen, was seit Monaten unübersehbar ist: Die Regierung in Rom tut nicht genug, um den massiven Schuldenberg des Landes zu senken. Gemäß des Vertrags über die Arbeitsweise der EU bereitet die Kommission einen entsprechenden Bericht vor. In Brüssel gibt es jedenfalls so gut wie keine Zweifel, dass es zu einem Strafverfahren kommen wird.

Bis Freitag, 24 Uhr, hatte die italienische Regierung zwar noch Zeit auf einen entsprechenden Mahnbrief der EU-Kommission zu reagieren. In Brüssel rechnete man aber nicht damit, dass die Antwort aus Rom etwas an den ökonomischen Einschätzungen der Behörde ändern würde. Italienischen Medien zufolge werde die Regierung ohnehin nicht einlenken, sondern lediglich darauf hinweisen, dass Italien unter der europaweiten Wachstumsschwäche leide, die von internationalen Handelsstreitereien mit ausgelöst worden sei. In Rom geht man davon aus, dass die Erfüllung der Wahlversprechen, etwa das Bürgergeld und die Rückkehr zur Frührente, die Konjunktur wieder in Fahrt bringen werde.

Auch Italiens Notenbankchef kritisiert die Schuldenpolitik der populistischen Regierung

Nicht nur die EU-Kommission hält das für Wunschdenken. Auch Italiens Notenbankchef kritisierte die Schuldenpolitik der populistischen Regierung. Die Erhöhung des Staatsdefizits sei nicht der richtige Weg, um die schleppende Wirtschaft des Landes anzukurbeln, sagte Ignazio Visco am Freitag. Die Hoffnung auf eine vorübergehende Konjunkturstützung durch eine Erhöhung des öffentlichen Defizits könnte sich als kontraproduktiv erweisen, sagte der Chef der Banca d'Italia. Stattdessen brauche das Land eine "sorgsame" Haushaltspolitik und wirksamere Instrumente als Subventionen und Transferzahlungen. Visco warnte davor, dass die von der Regierung für 2019 angepeilte Schuldenquote von 132,6 Prozent der Wirtschaftsleistung wohl zu niedrig angesetzt sei. Einen Grund dafür sieht der Notenbankchef in den erwarteten Privatisierungserlösen von gut 18 Milliarden Euro, die offenbar zu hoch gegriffen seien.

Die Europäische Kommission erwartet für dieses und nächstes Jahr einen Anstieg der Staatsverschuldung auf 133,7 und 135,2 Prozent der Wirtschaftsleistung. Damit ist die Behörde gemäß den europäischen Regeln eigentlich verpflichtet, ein Strafverfahren gegen Italien zu eröffnen. Dass dies so kommt, war bereits im Dezember absehbar, als die Kommission von einem solchen Schritt noch Abstand nahm. Der Grund dafür war laut EU-Diplomaten von politischer Natur: Vor der Europawahl wollte Brüssel der Regierung in Rom keinen Anlass bieten, ein Defizitverfahren für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen.

© SZ vom 01.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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