EU-Haushalt:Übertourte Routine

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Der EU-Sondergipfel zum Haushalt der Union scheitert. Dabei gibt es in Brüssel im Moment viel wichtigere Themen.

Von Björn Finke, Brüssel

Schwierige Haushaltsverhandlungen: Die EU ohne Großbritannien, das sind 27 Länder und 27 Regierungchefs - und alle wollen zuhause verkünden, dass sie sich mit ihren Wünschen durchgesetzt haben. (Foto: Olivier Hoslet/dpa)

Man könnte meinen, es ginge um etwas sehr, sehr Wichtiges: Der erste Vorschlag ist fast zwei Jahre alt, danach beschäftigten sich Botschafter und Minister ausdauernd damit, bevor sich schließlich die 27 Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer auf einem Sondergipfel damit befassten. Und zwar mehr als 24 Stunden lang. Dieses Spitzentreffen zum Haushalt der Europäischen Union endete am Freitagabend in Brüssel ohne Einigung. Nun soll es einen zweiten Sondergipfel geben. Der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), machte den Mitgliedstaaten schwere Vorwürfe. "Es geht um Egoismus und nicht um den notwendigen europäischen Ehrgeiz", sagte Weber am Wochenende. "Die vielen guten Ideen für ein ambitioniertes Europa werden im Klein-Klein zermahlen. China und die USA freuen sich." So viel Mühe, so viel Streit, so viel kostbare Arbeitszeit der Spitzenpolitiker - und das für eins der am meisten überschätzten Themen im EU-Politikzirkus: den mehrjährigen Finanzrahmen.

Alle paar Jahre wieder zerfleischen sich die Vertreter der Mitgliedstaaten über die Frage, wie viel Geld die Europäische Union in den kommenden sieben Jahren ausgeben darf. Jetzt geht es um 2021 bis 2027. Die Diskussionen sind immer schwierig; jeder Regierungschef will zuhause verkünden können, er habe hart gekämpft und schließlich einen Sieg errungen: mehr Geld für dieses und jenes, und am besten steigen die Beiträge zum Budget weniger stark als im Nachbarland.

Die übertourte Rhetorik und das ganze aufgeblasene Drama wirken grotesk. Zwar sind Verhandlungen über nationale Etats, etwa den Bundeshaushalt, ebenfalls hitzig, aber dort geht es um viel mehr: Es geht um Riesensummen, es geht darum, ob Wahlversprechen eingehalten werden, ob genug Geld für Verteidigung oder Schulen da ist. Im Durchschnitt liegen die Staatsausgaben der EU-Mitglieder bei fast der Hälfte der nationalen Wirtschaftsleistung. Der EU-Etat dagegen soll gerade mal zwischen 1,0 und 1,14 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung ausmachen.

Wenn sich Regierungschefs jetzt die Nächte um die Ohren schlagen, um einen Vorschlag von 1,07 auf 1,05 Prozent zu drücken, reden sie über gut 20 Milliarden Euro - aufgeteilt auf sieben Jahre und 27 Mitglieder. Die Summen, um die gefeilscht wird, sind auch gering verglichen mit den Vorteilen, die der gemeinsame Binnenmarkt, also der Abbau von bürokratischen Hürden bei Exporten, Firmen und Verbrauchern bringt. Fachleute schätzen, dass der volkswirtschaftliche Nutzen die Beiträge der Regierungen zum Brüsseler Haushalt um mehr als das Sechsfache übersteigt.

Doch die Klagen von Betrieben über verbleibende Hürden bei Geschäften im EU-Ausland nehmen zu; der Binnenmarkt könnte besser funktionieren, vor allem bei Dienstleistungen. Dies wäre eine lohnende Aufgabe für einen Sondergipfel. Die Staats- und Regierungschefs könnten all das politische Kapital und all den Einsatz für die Budget-Verhandlungen viel sinnvoller für die Lösung solcher Probleme verwenden. Und es gibt reichlich Themen, die bedeutsamer sind als der Streit um ein paar Milliarden Euro im Sieben-Jahres-Haushalt: etwa die Frage, wie die Staaten bei der Bankenunion - einem einheitlichen Markt für Geldhäuser - vorankommen. Oder wie die europäische Außenpolitik der schlagkräftiger werden kann. Oder wie Brüssel den grünen Umbau der Wirtschaft in Richtung mehr Klimaschutz am besten unterstützt.

Das heißt nicht, dass der europäische Etat gar keine Verhandlung wert ist. Natürlich müssen die Regierungen um einen Kompromiss ringen. Aber bitte unaufgeregter, effizienter, ohne falsches Pathos, ohne Lust am Drama - und stets im Bewusstsein, dass die Debatte um Hundertstel-Prozentpunkte eigentlich nicht so wichtig ist wie viele andere Themen.

© SZ vom 24.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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