EU-Ausländer:Mehr Migranten beziehen Hartz IV - Merkel für Kürzungen

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Mehr Bulgaren und Rumänen beziehen Hartz IV: Szene vor einem Jobcenter (Archiv) (Foto: dpa)
  • Der Anteil von in Deutschland lebenden Rumänen und Bulgaren, die Hartz IV beziehen, wächst.
  • Kanzlerin Merkel und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) fordern, die Sozialleistungen für EU-Zuwanderer zu beschränken.

Von Roland Preuß, München

Der Anteil der Rumänen und Bulgaren in Deutschland, die auf Hartz IV-Leistungen angewiesen sind, wächst. Trotz einer insgesamt guten Integration in den Arbeitsmarkt ist ihr Anteil zwischen September 2014 und September 2015 von 14,1 auf 17,2 Prozent gestiegen. Dies geht aus Daten des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg hervor. Unterdessen stellt sich Kanzlerin Angela Merkel hinter die Forderung von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), Sozialleistungen für arbeitslose EU-Bürger in Deutschland zu beschränken. Sie kommt damit auch Wünschen des britischen Premiers David Cameron entgegen.

Laut IAB beziehen mittlerweile rund 112 000 Bürger aus Bulgarien und Rumänien Hilfe

Laut dem sogenannten IAB-Zuwanderungsmonitor sind mittlerweile gut 112 000 Bürger aus den beiden Ländern auf die Unterstützung angewiesen. "Insbesondere bei den Bulgaren steigen die Arbeitslosen- und Leistungsbezieherquoten weiter deutlich an", sagte der IAB-Migrationsexperte Herbert Brücker der Süddeutschen Zeitung. "Sie sind die Sorgenkinder." Offenbar seien viele Niedrigverdiener darunter, die ihren Lohn mit Sozialleistungen aufstockten. Binnen eines Jahres waren etwa 140 000 Menschen aus den beiden Ländern zugewandert. Insgesamt verlaufe die Zuwanderung der EU-Bürger allerdings sehr gut, viele Migranten fänden einen Job, sagte der Wirtschaftsprofessor.

Die Sozialleistungen für EU-Zuwanderer sind sowohl in Deutschland als auch in anderen EU-Staaten umstritten. Der Europäische Gerichtshof hatte vergangenen Sommer geurteilt, dass Deutschland EU-Zuwanderer auf Jobsuche Sozialleistungen verweigern darf. Damit schien eine Reihe von Streitfällen geklärt zu sein, mehrere Sozialgerichte hatten ähnliche Konstellationen unterschiedlich beurteilt.

Das Bundessozialgericht hatte Anfang Dezember dann aber entschieden, dass EU-Bürger zwar vom Bezug von Hartz IV-Leistungen ausgeschlossen werden können, dass nach sechs Monaten in Deutschland jedoch generell die Sozialhilfe greifen müsse. Dabei bezogen sich die Sozialrichter auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Asylbewerbern ein Existenzminimum zusprach, das an die Hilfe bei Hartz IV heranreicht. Nach Einschätzung des Landessozialgerichts Essen dürften von dem Urteil mehr als 100 000 Menschen betroffen sein, vor allem Bürger aus Rumänien und Bulgarien. Arbeitsmarktexperte Herbert Brücker kritisierte das Urteil des Bundessozialgerichts: "So werden die falschen Anreize gesetzt." Grundsätzlich sollten Zuwanderer, die noch nicht gearbeitet haben, für einen längeren Zeitraum von Sozialhilfe oder Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen bleiben, sagte er. "Niemand sollte einreisen können, um Sozialleistungen zu beziehen."

Bundesarbeitsministerin Nahles hatte Ende Dezember angekündigt, den Sozialhilfeanspruch von EU-Ausländern zu beschränken. Der Hamburger Bürgermeister und SPD-Vizeparteichef Olaf Scholz schlug in diesem Zusammenhang vor, dass die Betroffenen ein Jahr in Deutschland gelebt und gearbeitet haben müssten, bevor sie Hilfe beantragen können. Dies fordert auch die Union und - noch weitergehend - der britische Premierminister David Cameron. Auf der CSU-Klausur in Kreuth bekräftigte er seine Forderung.

"Das ist nicht die Intention des Freizügigkeits-Gesetzes", sagt Angela Merkel

Kanzlerin Merkel schloss sich jetzt den Plänen ihrer Arbeitsministerin grundsätzlich an. Es sei richtig, darüber nachzudenken, ob jemand ohne Arbeit in Deutschland bereits Anspruch auf Sozialhilfe habe, sagte Merkel nach einem Gespräch mit dem rumänischen Ministerpräsidenten Dacian Cioloș am Donnerstag in Berlin. "Das ist nicht die Intention des Freizügigkeitsgesetzes." Merkel sagte, rumänische Arbeitskräfte seien in Deutschland sehr willkommen. "Aber wenn es um den Bezug von Sozialleistungen geht, die nicht auf Arbeit beruhen, bin auch ich der Meinung, dass es ja zumutbar ist, wieder in sein Heimatland zurückzugehen."

Die Überlegungen von Ministerin Nahles und anderen verknüpften sich auch mit den Wünschen des britischen Premiers Cameron, sagte Merkel. In Europa gebe es die schwierige Situation, dass es zwar Freizügigkeit im Binnenmarkt gebe, aber sehr unterschiedliche Sozialsysteme. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprach sich am Donnerstag dafür aus, EU-Ausländern erst nach einem Jahr Anspruch auf Sozialleistungen zu gewähren. "Ich meine, dass es im ersten Jahr keinen Anspruch auf Sozialhilfe geben kann", sagte er vor Beginn der Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion.

© SZ vom 08.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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