Etihad:Raus aus Europa

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Etihad wollte sich den Markt in der EU über gewagte Beteiligungen erschließen. Vielleicht zu gewagt. Es mehren sich nun die Anzeichen, dass Konzernchef James Hogan den Rückhalt verlieren und das Unternehmen verlassen könnte.

Von Caspar Busse und Jens Flottau, Frankfurt

Es ist gut zwei Jahre her, da hatte James Hogan seinen wohl größten Auftritt. In einer riesigen dekorierten Halle in Abu Dhabi trat der Etihad-Chef auf die Bühne und präsentierte das neue Kabinenkonzept für die Airbus- A380-Flotte: Was andere First Class nannten, das hieß nun bei Etihad "Appartment". Und das Appartment war nicht Luxus genug: Etihad fliegt seither an Bord der A380 auch die "Residence" umher, ein Abteil mit Wohnzimmer, Schlafzimmer und eigenem Bad.

Nichts symbolisiert den Anspruch der staatlichen Fluggesellschaft so sehr wie das Bordprodukt - nur das Beste zählt. Und Etihad sollte durch Zukäufe vor allem in Europa schnell aufschließen zur Konkurrenz, zur weltweit bekannten, bewunderten Marke werden. Wo andere mühsam Allianzen schlossen, ging Etihad-Chef Hogan auf Shoppingtour und kaufte ein Sammelsurium von Beteiligungen an Fluggesellschaften, unter anderem 29,2 Prozent an Air Berlin. Doch nun mehren sich die Anzeichen, dass Hogans Europastrategie gekippt und der langjährige Chef bald abgelöst werden könnte. Und auch bei Etihad selbst kriselt es.

In Branchenkreisen heißt es, der Verwaltungsrat Etihads unterstütze den Kurs nicht mehr. Mehrere Medien berichteten bereits, selbst das lokale Portal Arabian Aerospace griff eine Meldung der Nachrichtenagentur Reuters auf. Den Informationen zufolge soll Hogan in den nächsten Monaten gehen müssen, Etihad werde versuchen, das Engagement in Europa zumindest teilweise aufzugeben. Das Unternehmen selbst will "unbegründete Spekulationen nicht kommentieren".

Lufthansa könnte den deutschen Rivalen womöglich mit Auflagen übernehmen

Doch die Abwicklung hat im Grunde genommen schon begonnen. Etihad war Ende 2011 bei Air Berlin eingestiegen und wollte mit ihrer deutschen Tochtergesellschaft den Durchbruch auf dem europäischen Markt schaffen. Seither hat sie geschätzt etwa 1,5 Milliarden Euro in Air Berlin investiert, die Verluste des Ablegers indes wuchsen weiter. Nun wird Air Berlin aufgespalten - ein Teil fliegt für die Lufthansa-Billigsparte Eurowings, ein anderer wird in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Tuifly eingebracht. Und für die Restflotte (75 Flugzeuge mit Standort Düsseldorf und Berlin) interessiert sich dem Vernehmen nach ebenfalls Lufthansa ganz brennend. Eine Einigung, garniert mit ein paar weiteren Gemeinschaftsflügen zwischen Lufthansa und Etihad, wäre eine Ausstiegsmöglichkeit.

Eine mögliche Übernahme von Air Berlin durch Lufthansa wäre sicherlich ein Fall für die Kartellbehörden. Angesichts der Größe der beteiligten Unternehmen wäre für eine Prüfung aber voraussichtlich nicht das Bundeskartellamt, sondern die EU-Kommission in Brüssel zuständig. Insider erwarten dabei nicht grundsätzlich ein Verbot, sondern gehen eher von einer Genehmigung unter Auflagen aus.

Der Grund: Bei Übernahmen in der Luftfahrtbranche wird nicht der nationale oder europäische Markt als Ganzes betrachtet. Die Behörden prüfen vielmehr die Auswirkungen eines möglichen Zusammengehens auf einzelnen Strecken. Jede Route ist ein einzelner Markt, so die Annahme der Wettbewerbshüter. So könnte geprüft werden, welche Auswirkungen ein Zusammengehen von Lufthansa und Air Berlin auf der Strecke zwischen München und Hamburg hat. Wird der Wettbewerb deutlich geschmälert, kann die EU-Kommission Auflagen machen, die beiden Gesellschaften müssten dann etwa Start- und Landerechte, die sogenannten Slots, freigeben. Billig-Airlines wie Ryanair, Transavia oder Easyjet hatten zuletzt Interesse auch an innerdeutschen Strecken signalisiert und teilweise auch Verbindungen ins Programm genommen.

Air Berlin ist nicht die einzige Beteiligung in Europa, die Etihad zu schaffen macht. 2014 kauften die Araber für 560 Millionen Euro einen 49-Prozent-Anteil an Alitalia und versprachen eine schnelle Wende zum Besseren für die damals ums Überleben kämpfende Fluggesellschaft. 2015 konnte Alitalia zwar die Verluste von knapp 600 Millionen auf knapp 200 Millionen Euro reduzieren, doch scheint die Lage gekippt zu sein, es drohen wieder höhere Verluste: Eine neue Strategie ist in Arbeit, bis zu 2000 Stellen sollen gestrichen werden - etwa jeder sechste Arbeitsplatz. Damit fällt Alitalia auch als Auffanggesellschaft für Air Berlin aus.

Auch bei Etihad läuft es nicht mehr rund: Angeblich sind bis zu 3000 Stellen in Gefahr. Wie Qatar Airways und Emirates spürt Etihad, dass die vom Ölgeschäft abhängigen Volkswirtschaften in ihrer Heimatregion wegen des niedrigen Ölpreises stagnieren. Selbst das reiche Emirat Abu Dhabi will sich die hohen Kosten für Etihad und die Beteiligungen nicht mehr in der bisherigen Größenordnung leisten.

© SZ vom 22.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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