Ethik:Eine Maschine trinkt nicht

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Über KI diskutierten Anna Lukasson-Herzig, Chris Nadine Kranzinger, Valentina Daiber und Sofie Quidenus-Wahlforss. (Foto: Stephan Rumpf)

Unternehmerinnen betonen die Vorteile künstlicher Intelligenz.

Von Veronika Wulf

Die Deutschen sind nicht gerade für ihre Aufgeschlossenheit gegenüber künstlicher Intelligenz (KI) bekannt. Die Ängste sind vielfältig: Nehmen uns die Maschinen die Jobs weg? Wo bleibt die Moral? Denn KI mag zwar rationaler und schneller funktionieren als das menschliche Gehirn. Aber kann sie über ethische Fragen entscheiden? Beim Plan-W-Kongress sitzen vier Frauen auf dem Podium, die alle beruflich mit KI zu tun haben - und daher einer KI-Zukunft gegenüber sehr offen sind.

"Wir brauchen positive Anwendungsbeispiele von KI", sagt Chris Nadine Kranzinger, die die Bundesregierung bei der Umsetzung einer KI-Strategie berät und beim Datenanlyse-Start-up QuantCo arbeitet. Positive Beispiele fallen den Frauen einige ein. Die Seriengründerin Sofie Quidenus-Wahlforss erzählt, dass sie kürzlich dreimal den falschen Pin ihrer Kreditkarte eingegeben habe und "grantig und nervös" dem Chatbot ihrer Bank geschrieben habe. "Fünf Sekunden später kam die Antwort: Der Code ist wieder freigeschalten." Die Alternative sei es, stundenlang in der Warteschleife der Service-Hotline zu hängen oder eine Mail zu schreiben und nach drei Tagen eine Antwort zu bekommen. Für Quidenus-Wahlforss, deren jüngstes Start-up Omnius KI nutzt, um Handgeschriebenes wie Kundenbriefe an Versicherungen zu analysieren, ist die Sache klar: "KI ist kein Terminator, der alle umbringt. Das ist einfach eine neue Art von Software." Eine Software, die nicht auf den grantigen Ton der Kundin reagiert.

Manchmal ist Empathie jedoch gefragt - und damit der Mensch. Deshalb lässt Omnius KI Daten abtippen. Die 45 Minuten, die der Sachbearbeiter dadurch pro Schadensprozess einspart, könne er für Gespräche mit Kunden verbringen, die gerade einen schweren Unfall hatten, sagt Quidenus-Wahlforss. "Wir ersetzen nicht den Menschen, sondern wir erlauben dem Menschen, sich auf das zu fokussieren, was er kann, nämlich empathisches Verhalten."

Auch Telefónica Deutschland nutzt Bots im Kundenservice. Dabei sei es aus ethischen Gründen jedoch wichtig, dem Kunden klar zu machen, dass sie mit einer Maschine sprechen und nicht mit einem Menschen, sagt Valentina Daiber, Chefjuristin von Telefónica Deutschland. Denn KI basiert auf der Analyse von Daten und die Angst vor Missbrauch ist groß. "Man muss es schaffen, das Vertrauen derjenigen zu gewinnen, deren Daten man nutzt."

Wird KI nicht nur von Unternehmen, sondern von Staaten genutzt, stellen sich neue ethische Fragen. In den USA wird anhand von Daten die Wahrscheinlichkeit vorausgesagt, ob ein Krimineller nach der Entlassung aus dem Gefängnis rückfällig wird. "Aufgrund der Hautfarbe ist man länger eingesperrt worden", sagt Kranzinger. Doch richtig kalibriert, seien die Systeme besser als der Mensch. "Einem Richter seine Vorurteile auszutreiben, ist sehr viel schwerer, als eine Maschine darauf zu untersuchen, ob sie vorurteilsbehaftet agiert, um diese Vorurteile zu korrigieren."

Anna Lukasson-Herzig hat ihr Start-up Nyris, eine Art visuelle Suchmaschine, während der Elternzeit gegründet und konnte parallel beobachten, wie ihr Baby und ihre KI lernte. "Die Maschine lernt genauso wie wir Menschen", sagt sie. Wenn ein Ball auf die Straße rolle, würde ein KI-gesteuertes Auto genauso bremsen wie ein Mensch. "Dazu tippt die Maschine nicht auf dem Handy und ist nie betrunken."

© SZ vom 06.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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