Eon-Chef Bernotat:"Gas wird wieder billiger"

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Eon-Chef Wulf Bernotat über den gefährlichen Energiestreit Russlands, Strom-Engpässe in Deutschland und Wege aus der schweren Finanzkrise.

H.-W. Bein, M. Balser, C. Busse u. U. Schäfer

Der Chef des größten deutschen Energieversorgers Eon, Wulf Bernotat, warnt vor einem Engpass beim Strom. Schon 2012 könne Deutschland den eigenen Bedarf nicht mehr decken, kündigt Bernotat an. Der Atomausstieg könne kippen. Die Diskussion um die Energiesicherheit in Europa werde zunehmen, weil der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine eskaliert.

Eon-Chef Wulf Bernotat: "Das Geschäft wird relativ bleiben" (Foto: Foto: AP)

Süddeutsche Zeitung: Herr Bernotat, die Finanzmärkte stehen am Abgrund, die Welt steht vor einer Rezession. Wie hart wird die Wirtschaftskrise Deutschland treffen?

Wulf Bernotat: Das kann niemand verlässlich vorhersagen. Nach dem G-20-Gipfel der größten Industrienationen hatte ich zum Beispiel Gelegenheit, unter anderem mit Finanzminister Peer Steinbrück zu sprechen. Er sagte, auch er komme ohne ein klares Bild über die zukünftige Entwicklung aus Washington zurück. Auch die Regierungschefs und Politiker haben offenbar Mühe, das Ausmaß der kommenden Probleme zu erfassen.

SZ: Schon jetzt hinterlässt die Krise Spuren bei Autokonzernen, im Maschinenbau und der Chemie. Wie schwer trifft sie Eon und die Energiebranche?

Bernotat: Auch wir spüren Veränderungen, allerdings eher bei der Finanzierung. Kredite werden zum Beispiel teurer. Aber wir haben keine Schwierigkeiten, an Kapital zu kommen.

SZ: Wird nun weniger Strom verbraucht, weil in Fabriken Bänder stillstehen und Privatleute sparen wollen?

Bernotat: Für 2008 kann ich mit einem klaren Nein antworten. Trotz Energieeinsparung und trotz Wirtschaftskrise dürfte der Stromverbrauch in Deutschland in diesem Jahr wieder leicht angestiegen sein. Im kommenden Abschwung rechnen wir zwar damit, dass der Bedarf der Industrie leicht sinken wird. Der Verbrauch der privaten Kunden hängt aber kaum von der Konjunktur ab. Insgesamt dürfte das Geschäft also relativ stabil bleiben.

SZ: Haben die Deutschen keine Lust zum Energiesparen?

Bernotat: Doch. Sie achten bei Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen oder Geschirrspülern heute sehr genau darauf, was diese Geräte verbrauchen. Aber auf der anderen Seite verfügen die heutigen Haushalte über mehr Geräte als früher, zum Beispiel Laptops oder mehr als einen Flachbildschirm.

Lesen Sie weiter, warum Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück in der Krise bisher alles richtig gemacht haben.

SZ: Die Bundesregierung versucht, den Abschwung zu stoppen. Haben Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück bisher richtig gehandelt?

Bernotat: Ja, es war absolut richtig, die Banken und das Finanzsystem schnell zu stützen. Nur so kann wieder dringend benötigtes Geld in die Wirtschaft fließen. Nun muss das Hilfspaket aber auch Wirkung zeigen. Vor allem Mittelständler haben nach meinem Eindruck noch immer große Probleme, an Geld zu kommen. Viele Banken scheinen erst mal ihre eigenen Risiken zu reduzieren und beschränken in der Folge die Kreditvergabe. Um den Geldfluss wieder anzustoßen, hilft die Politik den Banken mit einem großen Finanzierungspaket aus der Krise, die sie ja selbst mit ausgelöst haben. Und nun stabilisieren einige Banken erst mal ihr eigenes Geschäft, anstatt speziell den Mittelstand mit dringend benötigtem Kapital zu versorgen. Das war nicht Sinn der Sache.

SZ: Industriebosse stehen in Berlin Schlange und bitten um Hilfe. Was wird die Energiebranche fordern?

Bernotat: Ich bin bei solchen Hilfsmaßnahmen des Staates grundsätzlich sehr skeptisch. Ich denke, die Unternehmen sollten es in erster Linie selbst in die Hand nehmen, die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

SZ: Wie soll das gehen?

Bernotat: In unserem Fall zum Beispiel mit Investitionen. Eon hält trotz der Krise an seinem Investitionsprogramm in Höhe von 63 Milliarden Euro fest. Zwar kann sich das eine oder andere Projekt etwas nach hinten verschieben, aber am Programm ändern wir nichts.

SZ: Wie wichtig ist Deutschland?

Bernotat: Elf Milliarden Euro davon sollen in deutsche Kraftwerke und Netze fließen. In der Stromerzeugung handelt es sich dabei meist um Ersatzinvestitionen. Leider wird uns in Deutschland das Investieren zusätzlich schwergemacht. Kartellamt und Monopolkommission setzen uns da Schranken. Und in der Bevölkerung gibt es oft Widerstände gegen Großprojekte, zum Beispiel gegen neue Kohlekraftwerke. Wir müssen beharrlich darauf hinweisen, dass wir für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien Zeit brauchen. Solange können wir auf Kohle und Kernkraft nicht verzichten. Sonst droht uns in den kommenden Jahren eine Kapazitätslücke in der Stromversorgung.

SZ: Ab wann ist damit zu rechnen?

Bernotat: Wenn wir diesen Kurs in Deutschland nicht ändern, ist schon ab 2012 mit Engpässen zu rechnen. Wenn wir genügend neue Gas- und Kohlekraftwerke bauen dürfen und wenn wir die Kernkraftwerke länger laufen lassen würden, könnten wir die Stromlücke verhindern.

SZ: Dafür müsste es 2009 einen Regierungswechsel geben.

Bernotat: Es muss dafür auf jeden Fall einen Politikwechsel geben. Ich würde aber nicht ausschließen wollen, dass man nach der nächsten Bundestagswahl in einer Neuauflage der großen Koalition, vielleicht mit unterschiedlichen Gewichten der Partner, über ein Weiterlaufen der Kernkraftwerke sprechen kann.

SZ: Beim Strom gibt es Kapazitätsengpässe, beim Gas Sorgen vor einer zu großen Abhängigkeit von russischen Lieferungen. Sind die Sorgen berechtigt?

Bernotat: Erstens war und ist Russland bisher immer ein verlässlicher Partner gewesen. Zweitens haben wir wenig Alternativen zu den Lieferverträgen mit Russland.

SZ: Fakt bleibt dennoch, dass wir von den Russen abhängig sind.

Bernotat: Und umgekehrt, denn beide Seiten brauchen sich gegenseitig. Nochmal: Gazprom hat sich immer als verlässlicher Partner erwiesen. Dennoch werden wir eventuell bald wieder eine heftige Diskussion über das Thema bekommen.

SZ: Warum?

Bernotat: Es könnte zum Jahresende erneut zu einer Zuspitzung der Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine kommen. Die Ukraine hat kein Geld, aber Schulden gegenüber Russland über 2,5 Milliarden Dollar. Das Land kann die alten und die neuen Gaslieferungen einfach nicht bezahlen. Wenn die Ukraine nicht zahlt, wird Gazprom irgendwann die Gaslieferungen einstellen müssen, nicht aus politischen, sondern aus rein wirtschaftlichen Gründen. Es wird dann wieder zu heftigen Diskussionen kommen, die ich nur bedingt für gerechtfertigt halte.

Lesen Sie weiter, warum die Gasversorgung in Deutschland gesichert ist.

SZ: Die Folgen des Streits dürften auch in Westeuropa zu spüren sein.

Bernotat: Ja, das könnte uns berühren, aber nicht so, dass wir hier ohne Gas auskommen müssen. Die Versorgung speziell für Deutschland ist gesichert, auch weil wir im Westen über ausreichende Speicherkapazität verfügen. Deshalb ist es für uns so wichtig, dass die Ostseepipeline gebaut wird, damit eine Alternative zur Pipeline durch die Ukraine entsteht.

SZ: Wird die Pipeline denn kommen? Aus Russland gab es Rückzugssignale.

Bernotat: Nein, das sehe ich nicht so. Ministerpräsident Putin hat mir bei meinem Besuch in der vergangenen Woche über den aktuellen Stand der Dinge berichtet. Der größte Widerstand kam bisher aus Finnland. Hier hat es wohl bilaterale Gespräche gegeben, mit positivem Resultat. Der Rest der Pipeline geht durch internationale Gewässer. Ich bin deshalb davon überzeugt, dass diese Gaspipeline gebaut wird.

SZ: Dürfen die Deutschen darauf hoffen, dass die Gaspreise nach dem kräftigen Anstieg nun wieder fallen? Schließlich ist Gas an den Ölpreis gekoppelt - und der ist um mehr als zwei Drittel gesunken.

Bernotat: Gas wird wieder billiger werden. Aber jeder Versorger kalkuliert anders, einige werden die Preise im Januar nochmal erhöhen. Eon wird die Gaspreise zum 1. Februar um vier Prozent senken. Und im April werden wir sie erneut absenken können, wenn der Ölpreis auf diesem niedrigen Niveau bleibt.

SZ: Auch die Strompreise sollen sinken. So will es die Politik. Deshalb drängt die EU-Kommission die Versorger zum Verkauf ihres Stromnetzes, damit es mehr Wettbewerb gibt. Wann wird Eon mit dem Verkauf beginnen?

Bernotat: Wir gehen davon aus, dass es im Frühjahr losgeht.

SZ: Wie viel Milliarden sind die Eon-Netze wert?

Bernotat: Das werde ich nicht auf den Marktplatz tragen.

SZ: Wer ist denn interessiert?

Bernotat: Gemeldet haben sich viele Interessenten, aber ich will keine Namen nennen. Nur so viel: Es gibt zwei Gruppen. Einmal sind das die Infrastrukturinvestoren, die offenkundig jetzt noch genug Kapital zur Verfügung haben. Dann gibt es strategischen Investoren, die im Ausland Netze betreiben und gerne nach Deutschland kommen würden.

SZ: Die Bundesregierung hat einmal den Plan verfolgt, eine einheitliche Deutsche Netz AG zu schaffen, in der alle deutschen Versorger ihre Netze bündeln. Gibt es hierfür noch Chancen?

Bernotat: Dieser Vorschlag kam von Eon, weil man durch eine Bündelung der Netze in einer Netz AG erstmals das Gesamtsystem optimieren könnte. Es gibt von politischer Seite intensive Bemühungen, die vier großen Betreiber zusammenzubringen. Der Moderator der Bundesregierung will seinen Bericht noch vor Weihnachten abschließen.

SZ: Außer Eon will aber nur Vattenfall sein Netz verkaufen.

Bernotat: Es ist denkbar, dass es zunächst zu einer kleinen Netz AG zwischen Eon und Vattenfall kommt. Vattenfall und wir schließen das zumindest nicht aus. Und vielleicht kommt dann so viel Bewegung in das Thema, dass die anderen großen Netzbetreiber folgen.

© SZ vom 05.12.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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