Entwicklungshilfe:Müllers Handlungsreise

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Bundesentwicklungsminister Gerd Müller besucht eine Textilfabrik in Ghana. (Foto: Ute Grabowsky/photothek.net)

Der Entwicklungsminister setzt verstärkt auf Privatinvestitionen in Afrika. Aber wem hilft er damit eigentlich, den armen Ländern oder der eigenen Wirtschaft?

Von Kristiana Ludwig, Accra

Ein gutes Logo ist wichtig, wenn man etwas verkaufen will. Die Bundesregierung hat sich für ein schwungvolles Band voller Farben entschieden: Rechts sind es die Landesfarben Deutschlands, auf der linken Seite zerfließen sie in der Flagge Ghanas. "Deutsche Zusammenarbeit", steht darunter. Beim deutsch-afrikanischen Wirtschaftsgipfel in einem Fünf-Sterne-Hotel in Ghanas Hauptstadt Accra ist dieses Logo auf Plakatwände und Prospekte gedruckt. Es soll für Klarheit sorgen, wo Deutschland die Geschäftsleute bisher mit einem Wust unübersichtlicher Labels konfrontiert hatte: Von "GTAI", zum Beispiel, der deutschen Außenwirtschaftsagentur, oder der "GIZ", der staatlichen Entwicklungsorganisation. Das bunte Band ist da einfacher.

Auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) versucht zurzeit, die Ziele seines Ministeriums auf eine Formel mit denen seiner Kabinettskollegen zu bringen. Sein Kampf gegen weltweite Armut und Ausbeutung soll zu dem passen, wofür auch zum Beispiel Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eintritt: den Erfolg deutscher Unternehmen im Ausland. Müller sieht in privaten Investitionen eine wesentliche Säule seines "Marshallplans mit Afrika" und nennt diese Strategie gern "Win-Win". Deutsche Unternehmen könnten genauso von Geschäften in Afrika profitieren wie die notleidende Bevölkerung dort. Nicht nur er ist deshalb in der vergangenen Woche zur Wirtschaftskonferenz gereist, sondern auch Vertreter des Wirtschafts- und des Finanzministeriums.

Müller will auf dieser Reise zeigen, dass es eine perfekte Kombination aus Wirtschaftsförderung und Entwicklungshilfe gibt. Vor Beginn der Konferenz fährt er deshalb zu der ghanaischen Werkshalle des unterfränkischen Bauunternehmens Knauf. Über einem Nebengebäude steht hier jetzt "Knauf Akademie", auch das bunte Band prangt über dem Eingang, und drinnen liegen Bohrmaschinen und Spachtel wie Kunstgegenstände in blütenweißen Regalen. Eine Gruppe junger Männer trägt ebenfalls weiß, ihre Latzhosen haben ein einheitliches Knauf-Design. Zur Feier des Tages, nämlich der Eröffnung dieses Ausbildungszentrums, zeigen sie den Kameraleuten, wie sie einen Akkuschrauber benutzen.

Knauf arbeitet schon seit 17 Jahren mit dem Entwicklungsministerium zusammen. Gerade hat die Firma 2,5 Millionen Euro Zuschuss bekommen, um Ghanaer auszubilden und in fünf weiteren afrikanischen Ländern ähnliche Ausbildungen aufzubauen. 15 000 Menschen sollen auf diese Weise unterstützt werden. Eine öffentlich-private Partnerschaft, die beim Entwicklungsministerium "developpp" heißt.

Doch leider hat das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit diesem developpp-Programm vor zwei Jahren ein sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Wirtschaftspartnerschaften könnten "die hohen Ansprüche an entwicklungspolitische Wirksamkeit kaum einlösen", heißt es in dem damaligen Bericht. Zwar profitierten die Menschen, die bei einem der geförderten Unternehmen arbeiteten. Aber auf die Entwicklung eines ganzen Landes hätten solche Projekte keinen Einfluss. Außerdem hätten die Partnerschaften ein entscheidendes Problem: Die Interessen des Unternehmens passten oft nicht zu den Interessen der Hilfsbedürftigen. "Sozial- und Menschenrechtsstandards werden bislang 'eher nicht angemessen' nachgehalten", heißt es in der Auswertung.

Müllers Haus reformierte daraufhin das Programm. Nun liegen auf der Konferenz in Accra Flyer, die für ein neues, dreistufiges Partnerschaftsmodell werben: die "Classic"-Variante, bei der deutsche Unternehmen wie bisher bei "nachhaltigen" Geschäften gefördert werden. Das Modell "für den langfristigen Aufbau mit breiter Wirksamkeit", über das nun als erstes Unternehmen Knauf sein Geld bekommt. Und schließlich "Ventures", mit dem ab kommendem Jahr auch kleine Firmen gefördert werden sollen, die aus den Entwicklungsländern selbst stammen.

Es sind Ansätze, die gut klingen. Jedoch betreffen sie nur jene Unternehmen, die mit dem Geld vom Entwicklungsministerium im Ausland investieren. Aber um die alleine geht es auf der Konferenz gar nicht. Afrika-Politik sei "nicht mehr Entwicklungshilfe im alten Sinne", sagt Müller: "Wir brauchen Privatinvestitionen in der ganzen Breite, in einer ganz neuen Dimension und Qualität."Wie auch bei Wirtschaftsminister Altmaier drängt sich bei ihm gerade anderes in den Vordergrund, wenn es um afrikanische Geschäfte geht: die Konkurrenz mit China um Rohstoffe. Denn chinesische Unternehmen, Bauprojekte und Exporte dominieren mittlerweile den Kontinent. Im Tausch gegen Kredite sichert sich China den Zugriff auf Bodenschätze, die etwa in der Elektronikproduktion nötig sind: Kobalt, Coltan, Kupfer, Gold, Bauxit. "Die Ressourcen Afrikas sind Grundlage des Wohlstands der Industrieländer", sagt Müller. Die Opposition sieht diese neue Tonlage des Ministers kritisch. "Leider versteht die Bundesregierung die Entwicklungspolitik immer mehr als Außenwirtschaftsförderung", sagt der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Uwe Kekeritz: "Diese Form der Entwicklungspolitik hilft der deutschen Industrie oft mehr als den Partnerländern."

Müller sagt dagegen, Deutschland habe auch ein Interesse, den Handel mit Afrika fair zu gestalten. Der Süddeutschen Zeitung liegt ein Gesetzesentwurf aus seinem Haus vor, demzufolge deutsche Unternehmen mit millionenschweren Geldbußen oder sogar Haftstrafen rechnen müssen, wenn in ihren ausländischen Produktionsstätten Menschen oder Umwelt gefährdet werden oder zu Schaden kommen. Die Bundesregierung überprüft derzeit, ob große deutsche Unternehmen entlang ihrer Lieferketten die Menschenrechte achten. Sollten mehr als die Hälfte dieser Firmen durchfallen, stünden Müller und SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil mit diesem Gesetz bereit. Ob auch Wirtschaftsminister Altmaier dann noch an Müllers Seite steht, ist fraglich.

© SZ vom 18.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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