Energiepolitik:Blaupause ohne Braunkohle

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Die Kommission legt erste Entwürfe für den Ausstieg vor. Für Verbraucher soll demnach die Stromsteuer sinken, ebenso die Entgelte für das Stromnetz. Und die Industrie ?

Von Michael Bauchmüller , Berlin

Weniger Stromsteuer, flexiblere Kraftwerke, günstigeres Stromnetz: Wenn diesen Freitag die Kohlekommission den Endspurt ihrer Beratungen antritt, geht es längst nicht nur um den Abschied von Braun- und Steinkohle. Es geht auch um die Energiewelt danach - und die Zukunft der Tagebaureviere.

Wie sich die Kommission das alles vorstellt, lässt sich in den Entwürfen für ihren Abschlussbericht schon nachlesen. Es ist eine Art Blaupause für die Zeit nach der Kohle, sie soll allen Seiten gerecht werden: dem Klimaschutz durch schrittweise Abschaltung der Kraftwerke, den Verbrauchern in Haushalten und Industrie durch Nachlässe beim Strompreis, den betroffenen Regionen durch Hilfen beim Strukturwandel. Allein 133 Seiten umfasst der Berichtsentwurf, weitere 194 Seiten füllen die Ideen für Lausitz, Rheinland und mitteldeutsches Revier, von neuen Bahnstrecken über die Ansiedlung von Bundesbehörden bis hin zum Bau von Jugendherbergen. An Vorschlägen mangelt es nicht.

Bleibt es bei den Empfehlungen aus dem Entwurf, dann wird der Bund künftig wieder mehr für den Ausbau des grünen Stroms tun müssen. Die "jährlichen Zubau-Mengen für erneuerbare Energien" müssten so angepasst werden, dass bis 2030 tatsächlich 65 Prozent Ökostrom durch hiesige Leitungen fließen - wie es die Koalition offiziell auch anstrebt. Parallel brauche es nicht nur bessere Stromnetze, sondern auch mehr Gaskraftwerke und Stromspeicher. Sie können flexibel reagieren, wenn der Wind einmal abflaut oder die Sonne verschwindet. Für die Verbraucher müsse die Stromsteuer sinken, ebenso die Entgelte für das Stromnetz. "Mögliche Zusatzbelastungen" sollten dadurch so gering wie möglich ausfallen. Auch große Industriebetriebe sollen zusätzlich entlastet werden.

Ob aus dem Entwurf tatsächlich ein Bericht wird, hängt nun noch an ein paar "XX" und eckigen Klammern. Denn die Frage, wie viel der insgesamt gut 40 Gigawatt an Braun- und Steinkohlekraft wann abgeschaltet wird, bleibt bis zuletzt offen, ebenso die Frage, wann der letzte Kohlekessel stillgelegt wird. Konkrete Zahlen fehlen. Aber deutlich wird schon die Mechanik, die der Kohleausstieg haben soll.

So unterscheidet die Kommission zwei Zeiträume, für die sie Festlegungen treffen will: 2018 bis 2022 und 2023 bis 2030. Der erste Zeitraum soll möglichst viel noch für das aktuelle deutsche Klimaziel liefern, über das 2020 abgerechnet wird. Der zweite Teil muss das Ziel der Bundesregierung einlösen, die klimaschädlichen Emissionen im Energiebereich bis 2030 unter 183 Millionen Tonnen CO₂ zu drücken - gegenüber 330 Millionen Tonnen im Jahr 2017.

"Zur Umsetzung", so heißt es in dem Entwurf, "empfiehlt die Kommission freiwillige Maßnahmen." So solle der Bund mit den Braunkohlekonzernen RWE, Leag und Mibrag vertragliche Vereinbarungen suchen. Sollte dies bis Mitte 2020 nicht gelingen, müsse der Bund die Stilllegung und entsprechende Entschädigungen rechtlich regeln. Die Vertragslösung soll helfen, Entschädigungsklagen zu umgehen. Steinkohle-Kraftwerke dagegen sollen in eine Art Wettbewerb um Stilllegungsprämien treten. Hier könnte die Stilllegung von Strommengen samt Entschädigung öffentlich ausgeschrieben werden. Diejenigen Kraftwerke kämen zum Zuge, die sich für die geringste Prämie stilllegen lassen. Das nagelneue Steinkohlekraftwerk Datteln IV, das noch in Bau ist, soll nie ans Netz gehen. Auch dies soll der Bund vertraglich regeln.

Ob der Umstieg klappt, soll der Bund dem Rat der 28-köpfigen Kommission zufolge dreimal überprüfen: 2023, 2026 und 2029. "Dies ist erforderlich, um die Folgen des Kernenergieausstiegs 2022 und der bis dahin umgesetzten Stilllegungen angemessen abschätzen zu können", heißt es im Entwurf. Sollte sich etwa herausstellen, dass nicht genügend Ersatz für die Kohlekraftwerke gebaut wird, müsse ein "systematischer Investitionsrahmen" geprüft werden. Solche Anreize waren schon in der vergangenen Koalition im Gespräch, damals noch als "Kapazitätsmechanismen". Seinerzeit wurden sie verworfen.

Nichts aber ist beschlossen, wenn nicht alles beschlossen ist. Noch findet sich auch ein Passus in dem Entwurf, wonach der Abriss bewohnter Ortschaften und die Abholzung des Hambacher Waldes vermieden werden sollen. Der Satz findet sich, wie alle Streitpunkte, in eckigen Klammern. Noch gibt es mehr als 60 davon in dem Entwurf, jede birgt Sprengstoff. Manche vermuten schon, die Sitzung könnte bis in den Samstag gehen. Das Ende der Sitzung jedenfalls ist offen.

© SZ vom 24.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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