Greifswald:Vorreiter bei Solarthermie: „Brauchen viel mehr Greifswald“

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Blick auf Kollektoren auf dem Gelände der Solarthermieanlage. (Foto: Stefan Sauer/dpa)

Dass neben der Stromversorgung auch die Versorgung mit Wärme essenziell ist, verdeutlicht die derzeitige Gaskrise. Wie man Wärme aus Sonnenergie gewinnen kann,...

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Greifswald (dpa/mv) - Dass neben der Stromversorgung auch die Versorgung mit Wärme essenziell ist, verdeutlicht die derzeitige Gaskrise. Wie man Wärme aus Sonnenergie gewinnen kann, zeigt Deutschlands größte Solarthermieanlage in Greifswald. „Wir brauchen viel mehr Greifswald in der ganzen Republik“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Grüne), bei der Inbetriebnahme am Donnerstag. Doch in Greifswald will man noch mehr auf erneuerbare Energien setzen und gibt Kellner Hausaufgaben mit.

Von einem Meilenstein sprachen Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und der Chef der Stadtwerke Greifswalder (SWG), Thomas Prauße. Auf vier Hektar wärmen Kollektoren mittels Sonnenenergie Wasser auf, das in das Fernwärmenetz der Stadt eingespeist wird. An Sommertagen kann nach SWG-Angaben so der gesamte Bedarf des Fernwärmenetzes gedeckt werden. Pro Jahr könnten rein rechnerisch etwa 800 bis 1000 Haushalte mit CO2-neutraler Fernwärme versorgt werden.

Ab 2024 sollen 35 Prozent der Fernwärme in Greifswald aus erneuerbarer Energie kommen. Dazu sollten Solarenergie, Biomethangas und eine Großwärmepumpe genutzt werden, erklärte Prauße. „Gas sparen ist für mich ein Anliegen.“ Hier wäre noch mehr möglich. Die SWG verfügten über eine sogenannte Power-to-Heat-Anlage, mit der man aus Strom Wärme erzeugen könne. „Die ist aber nicht eingeschaltet.“ Der Betrieb sei nicht wirtschaftlich. Zugleich würden jährlich 6 Milliarden Kilowattstunden Windkraft abgeriegelt, weil es an Netzkapazität fehle. Würde man diesen Strom für die Power-to-Heat-Anlage nutzen, könnte man weitere 15 Prozent der Fernwärme regenerativ erzeugen, sagte Prauße.

Zudem betreibe man vor Ort ein Blockheizkraftwerk zu 100 Prozent mit Biomethangas aus der Region. Dafür müssten die SWG aber die Gasumlage zahlen. „Das kostet den Stadtwerken 3,2 Millionen Euro. Die hab ich nicht.“ Prauße appellierte an Kellner: „Wenn wir mal einen Fehler machen, wie vielleicht mit der Gasumlage auf Biomethangas, dann ist doch wohl das leichteste, den Fehler zu beheben.“

Kellner signalisierte, dass man sich die Umlage noch einmal ansehe. Er verwies auf das vergleichsweise gut ausgebaute Fernwärmenetz in Ostdeutschland als Chance, die Wärme-Versorgung CO2-frei zu gestalten. Im Osten läge die Abdeckung bei etwa 30 Prozent, während sie etwa in Baden-Württemberg oder Bayern bei unter 10 Prozent liege. Zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung solle etwa die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) beitragen. Der Vorteil der Wärmeerzeugung aus regenerativer Energie bestehe auch darin, dass man keine teuren Schecks an Autokraten ausstellen müsse und Wertschöpfung in der Region entstehe.

Nach Angaben des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW) laufen in Deutschland aktuell etwa 50 große Solarthermieanlagen. Knapp 50 weitere seien in Planung oder im Bau, wobei die Durchschnittsgröße zunehme. Im Ausland - etwa in Dänemark - gebe es noch deutlich größere Anlagen als die in Greifswald. Eine BSW-Sprecherin sagte, man beziffere das realistische Potenzial der Solarthermie in Deutschland auf eine Leistung von etwa 100 Terawattstunden im Jahr. Der Warmwasserbedarf sämtlicher deutschen Haushalte liege jährlich bei über 100 Terawattstunden.

Herausforderungen seien bei den großen Anlagen langwierige Genehmigungsverfahren sowie die Verfügbarkeit von Flächen. Diese müssten in der Nähe der Nutzer liegen, da sich Wärme nicht gut über weite Strecken transportieren lasse. Klassischerweise werde Solarthermie mit anderen Energieträgern kombiniert, so dass etwa im Sommer gespartes Gas im Winter zur Verfügung stehe. Theoretisch sei aber auch denkbar, den Bedarf eines Wärmenetzes ganzjährig zu decken. Dafür bräuchte es nur Speicher, die groß genug seien.

© dpa-infocom, dpa:220914-99-761367/5

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