Emissionshandel:Die Luft soll sauberer werden

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Kraftwerke und Fabriken sollen ihre Emissionen in den kommenden Jahren überdurchschnittlich stark reduzieren. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Die EU-Kommission will weniger Zertifikate vergeben und empört damit die Industrie.

Von Michael Bauchmüller und Alexander Mühlauer, Berlin/Brüssel

Der Preis, das ist eine der grundlegenden Regeln der Ökonomie, hängt ab von Angebot und Nachfrage. Ist das Angebot groß, sinkt der Preis - und umgekehrt. So funktioniert das auch bei Europas wichtigstem Klimaschutz-Instrument, dem Emissionshandel, wenn auch anders als geplant. Im Grunde genommen sollte eine feste Obergrenze an zulässigen Emissionen garantieren, dass der Handel mit "Emissionszertifikaten" floriert. Das Gegenteil trat ein: Der Preis liegt seit Jahren weit unter allen Erwartungen. Denn es gibt rund 2,2 Milliarden Zertifikate zu viel.

In der EU soll bis 2030 40 Prozent weniger CO₂ ausgestoßen werden

Daher will die EU-Kommission die Regeln für die Zeit ab 2020 verschärfen. Ihre Reformpläne stellte die Brüsseler Behörde am Mittwoch vor. Demnach soll die Zahl der verfügbaren industriellen Verschmutzungsrechte von 2021 an jedes Jahr stärker als bisher sinken. Zudem will die Behörde weniger Ausnahmen für Branchen, die besonders stark im internationalen Wettbewerb stehen. Die Liste energiehungriger Branchen, die durch außereuropäische Konkurrenz besonders unter Druck stehen, soll überarbeitet und verkleinert werden. Vergleichsweise klimafreundliche Unternehmen in diesen Sektoren erhalten all ihre CO₂-Rechte umsonst zugeteilt. Der Rest muss zahlen, allen voran die Kraftwerke. Während die EU bis 2030 insgesamt 40 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen will als 1990, sollen die Emissionen der Fabriken und Kraftwerke um 43 Prozent sinken - sehr zum Ärger der Industrie.

Der Beschluss gehe "an den Nerv industrieller Wertschöpfung in Europa", warnte Hans Jürgen Kerkhoff, Chef der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Für die deutsche Stahlindustrie bedeute er "untragbare Mehrbelastungen". Auch der Industrie-Verband BDI warnte vor zusätzlichen Lasten. Eine einseitige Belastung effizienter Anlagen sei "wachstumsfeindlich". Dagegen kritisierten Umweltschützer die Brüsseler Vorgaben als noch zu lasch. Ohne tiefergreifende Reformen sei das Handelssystem "dauerhaft zur Wirkungslosigkeit verdammt", beklagte die Umweltstiftung WWF. Das Umweltministerium wiederum begrüßte den Vorstoß als "gute Basis".

Seit jeher sorgen Reformen des Emissionshandels für heftigen Streit, es geht stets um Milliarden. Erst kürzlich war ein erster Reformschritt zur Stabilisierung des CO₂-Preises beschlossen worden, das Parlament stimmte vergangene Woche zu. Dabei sollen etwa 1,5 Milliarden Zertifikate ab 2019 in eine Reserve verschoben werden; sie wären dem Markt damit entzogen. Die neuen Regeln kämen nun noch dazu. So sollen künftig jedes Jahr 2,2 Prozent weniger Zertifikate vergeben werden - anstatt bislang 1,74 Prozent jährlicher Minderung. Industrieunternehmen im globalen Wettbewerb bekamen bislang einen Großteil der Zertifikate kostenlos. Maßstab für die kostenlose Zuteilung waren Effizienz-Richtwerte für einzelne Branchen, die noch von 2007 stammen. Da der technische Fortschritt damals nicht endete, sollen die Richtwerte nun jährlich um ein Prozent strenger werden. Gelänge die Operation, dann würden die Zertifikate im nächsten Jahrzehnt knapper - und damit teurer. Zuvor aber müssen EU-Parlament und Mitgliedstaaten dem Kommissionsvorschlag noch zustimmen.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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