Einzelhandel:Bloß weg mit Real

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Eigentlich wollte der Handelskonzern Metro die Supermärkte aufhübschen. Nun wird ein Käufer für die Einzelhandelskette gesucht. Es wird heftig über Interessenten spekuliert. Auch der Name Amazon fällt.

Von Michael Kläsgen und Benedikt Müller, Krefeld/Köln

Dass es sich hier um einen Real handelt, könnte man glatt übersehen. "Markthalle Krefeld" prangt in weißen Lettern auf dem großen, grünen Schild am Eingang. Den Markennamen Real versteckt das Unternehmen klein darunter. Denn dieses Warenhaus am Niederrhein, das Real für mehrere Millionen Euro modernisiert hat, soll anders sein als die restlichen Filialen. Mit viel Glas und Holz lockt die Fassade. Wer eintritt, steht ohne Trennwand neben einer Bäckerei, deren Mitarbeiter gerade Teiglinge in den Ofen schieben und laufend die Auslagen füllen.

Mit der Markthalle in Krefeld wollte der Handelskonzern Metro beweisen, dass große Supermärkte wie Real in Deutschland eine Zukunft haben. Zehn Prozent des Umsatzes erwirtschaftet er hier mit Gastronomie. Rund um den großen Sitzbereich in der Mitte können die Kunden Steinofenpizza und Brathähnchen ordern, am Stand nebenan rollen die Köche Sushi. Weiter hinten wirbt die Buchabteilung, dass der Start-up-Unternehmer Frank Thelen am Nachmittag zur Signierstunde vorbeikomme. Am Abend lädt der Getränkemarkt dann zur Whisky-Verkostung, für 19 Euro pro Person: das SB-Warenhaus als Ausflugsziel.

Über Interessenten wird heftig spekuliert. Hin und wieder fällt auch der Name Amazon

Doch nun will Metro den Ausflug beenden. Der Konzern teilte am Donnerstagabend mit, die Lebensmittelkette mit ihren 282 Filialen verkaufen zu wollen, am liebsten als Ganzes. Der Verkauf soll schon in sechs bis acht Monaten abgeschlossen sein, also sehr bald, sagte Metro-Chef Olaf Koch am Freitag. Ob das auch so kommen wird, ist eine andere Frage. Über mögliche Käufer spekulierten Händler und Analysten schon. Amazon nannten manche, den US-Internetkonzern, der in den USA im vergangenen Jahr Whole Foods kaufte, eine unter ernährungsbewussten Amerikanern beliebte Supermarktkette. Auch hierzulande, glauben manche, wolle Amazon Lebensmittelläden eröffnen. Andererseits: Was soll der US-Konzern mit so vielen, teils unansehnlichen Filialen anfangen? Amazon äußert sich am Freitag nicht dazu. Koch selbst soll sich schon im Juni, noch ehe der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky als neuer Großaktionär bei der Metro einstieg, nach möglichen Interessenten in China umgeschaut haben. Im Mai hatte Koch in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung noch ausführlich erklärt, warum ein Verkauf von Real auf längere Sicht ausgeschlossen sei. Jetzt soll alles ganz schnell gehen. Bloß weg mit den Real-Märkten, die Koch so viel Scherereien verursacht haben in den vergangenen Jahren. Zwar macht Real nach Unternehmensangaben Gewinn und immerhin sieben Milliarden Euro Umsatz, die Personalkosten sind aber viel höher als bei Edeka oder Rewe, vor allem wenn dort Selbständige die Läden betreiben.

Der Metro-Chef wollte deswegen mit der Gewerkschaft Verdi einen sogenannten Haustarifvertrag vereinbaren mit wesentlich schlechteren Konditionen für die neuen Mitarbeiter. Aber die Verhandlungen scheiterten krachend nach zwei Jahren. Jeder macht nun den anderen verantwortlich dafür. Koch wirft Verdi eine Blockadehaltung vor, Verdi Koch Missmanagement. Beide sind bis heute vergrätzt. Stefanie Nutzenberger, Verdi-Vorstandsmitglied, unterstellte Koch am Freitag in einer Pressemitteilung, von Anfang an auf den Verkauf von Real hingewirkt zu haben. Das sei der wahre Grund für die "kompromisslose Alles-oder-Nichts-Strategie der Konzernleitung" gewesen.

Verweilen, Stöbern und Schlemmen ist in der Filiale in Gremberg nicht vorgesehen

Koch hat tatsächlich längst Fakten geschaffen. Damit Real neue Beschäftigte günstiger einstellen kann als angestammte Mitarbeiter, hat Metro das operative Geschäft vor einem halben Jahr in eine andere Gesellschaft verlagert. Seitdem hat das Unternehmen nach eigenen Angaben 2000 Beschäftigte neu eingestellt, zu schlechteren Konditionen. Solche günstigen Arbeitskräfte fragt Real aktiv nach. "Wir suchen Verstärkung in Voll- und Teilzeit", steht auf der Kreidetafel am Eingang in Krefeld. Denn für die Markthalle mit ihren Essensständen und Veranstaltungen braucht Real deutlich mehr Personal als in einer herkömmlichen Filiale.

Weil Real den Standort Krefeld so aufgewertet hat, gibt sich eine Verkäuferin am Freitag optimistisch. "Ja, die Metro verkauft uns. Aber verkaufen heißt ja nicht schließen", sagt sie und nickt leicht mit dem Kopf: "Alles gut." Sie hofft, dass zumindest für die Markthalle noch jene Standortsicherung gelte, die Koch Verdi vor zwei Jahren mal versprach. Doch leider irrt sie sich da, wie ein Unternehmenssprecher bestätigt. Alle Vereinbarungen von damals sind hinfällig, die Verhandlungen mit Verdi gescheitert und etwaige Garantien nicht mehr gültig. Und wer weiß, welche Forderungen ein neuer Eigentümer stellen wird?

Dass die hohen Personalkosten aber nicht das einzige Problem von Real sind, lässt sich in vielen Filialen außerhalb von Krefeld beobachten - zum Beispiel in Köln-Gremberg. Zwischen den streng rechteckig angeordneten Regalen lädt dort kein Platz zum Verweilen, Stöbern oder Schlemmen ein. Wer den Markt betritt, schlendert zur Rechten zunächst an Flachbildschirmen und Staubsaugern vorbei, zur Linken an Schuhen und Oktoberfesthemden. Die große Lebensmittelauswahl, mit der Real eigentlich punkten will, kommt viel weiter hinten. Gastronomie wie in Krefeld gibt es nicht; Brathähnchen verkauft hier der rote Imbisswagen vor der Tür. Im Inneren des Kölner Marktes hat sich noch nicht überall herumgesprochen, dass Real verkauft werden soll. "Ja, Metro hat Real gekauft", sagt eine Verkäuferin am Freitag. Mehr wisse sie nicht. "Wollen die das wirklich wieder verkaufen?", fragt sie und reißt ihre Arme in die Höhe.

© SZ vom 15.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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