DIW-Chef zur Abwrackprämie:"Das war ein Strohfeuer"

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Die Autobranche hat trotz Staatshilfe ihre eigentlichen Probleme nicht gelöst, sagt DIW-Chef Zimmermann - einer der größten Kritiker der Abwrackprämie.

Varinia Bernau

Die Abwrackprämie hat die schwächelnde deutsche Wirtschaft belebt; doch sie war umstritten. So warnte etwa Klaus Zimmermann die Bundesregierung davor, die Staatsverschuldung ausufern zu lassen. Die SZ hat den Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung um eine Bilanz gebeten.

Mit fünf Milliarden Euro hat der Staat den Kauf von Neuwagen bezuschusst. (Foto: Foto: AP)

SZ: Seit Mittwochmorgen ist der Topf für die staatliche Abwrackprämie leer. Ökonomen haben an dem wohl populärsten Instrument der Bundesregierung im Kampf gegen die Wirtschaftskrise immer wieder Kritik geübt. Sind die fünf Milliarden Euro, mit denen der Staat den Kauf von Neuwagen bezuschusst hat, herausgeschmissenes Geld?

Klaus Zimmermann: Die Abwrackprämie war ein Strohfeuer, wenn auch in kleinem Umfang. Sieben Monate lang ging es der Automobilbranche damit gut. Opel, aber auch Volkswagen haben vor allem davon profitiert. Aber dabei wird es bleiben. Der volkswirtschaftliche Nettoeffekt ist negativ.

SZ: Wie hoch wird er nach Ihrer Schätzung ausfallen?

Zimmermann: Genaue Zahlen würde ich nicht nennen wollen. Aber der Schaden ist signifikant.

SZ: Vor allem für den Steuerzahler, meinen Sie?

Zimmermann: Sicherlich, auch der Steuerzahler leidet, weil die fünf Milliarden Euro eben nicht in dauerhafte Projekte investiert wurden, etwa in die Förderung von Bildung oder den Ausbau alternativer Energiegewinnung. Einerseits konnten mit der Abwrackprämie zunächst Arbeitnehmer in der Automobilbranche gehalten werden und somit auch weiterhin Steuern zahlen.

Andererseits haben Arbeitnehmer aus benachteiligten Branchen wie etwa dem Schrotthandel oder auch kleineren Handwerksbetrieben ihren Job verloren und konnten keine Steuern mehr zahlen. Doch eine solche Rechnung aufzustellen, das wäre mühsam. Bei politischen Maßnahmen zur Steuerung der Wirtschaft ist immer klar, dass sie den Steuerzahler etwas kosten. Das ist nicht das Problematische an der Abwrackprämie.

SZ: Was ist es dann?

Zimmermann: Mit der Abwrackprämie wurde eine Branche unterstützt, die nicht unter einem konjunkturellen, sondern unter einem strukturellen Problem leidet. Weniger der Preis hat die Deutschen bislang vom Kauf deutscher Autos abgeschreckt als vielmehr Größe oder Spritverbrauch eines Wagens.

SZ: Der Verband der Autoindustrie erwartet, dass in diesem Jahr 400.000 Neuwagen mehr als im Vorjahr zugelassen werden. Offenbar hat die Abwrackprämie den Deutschen durchaus den Gang zum Autohaus statt zum Gebrauchtwagenhändler schmackhaft gemacht.

Zimmermann: Durch die Abwrackprämie lässt sich keine zusätzliche Nachfrage schaffen. Diejenigen, die ohnehin ein neues Auto kaufen wollten, haben dies nun früher getan. Wer keines brauchte, hat auch keines gekauft. Diesen Vorzieheffekt konnten wir auch bei der Mehrwertsteuererhöhung zum Januar 2007 beobachten, als viele Menschen größere Anschaffungen noch kurz vor der Steuererhöhung getätigt haben. Auf diese Mehreinnahmen konnte der Einzelhandel natürlich nicht dauerhaft setzen. Auch der Absatz von Neuwagen wird in den nächsten zwölf Monaten merklich einbrechen.

SZ: Dennoch hat die Abwrackprämie der schwächelnden Autobranche eine Atempause verschafft. Die Branche hätte diese nutzen können, um die strukturellen Probleme anzugehen.

Zimmermann: Ich habe allerdings Zweifel daran, dass sie dies getan hat. Durch die Abwrackprämie fühlen sich die Konzerne sicher. So lange der Absatz stimmt, müssen sie sich keine Gedanken um innovativere Entwicklungen machen. Und sie müssen auch kein Personal abbauen. Die Branche wird sich mit der ohnehin schon schwierigen Anpassung nun noch schwerer tun.

SZ: SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, der die Abwrackprämie angeregt hatte, betonte bereits, dass so etwa 200.000 Arbeitsplätze in Deutschland gehalten werden konnten. Das ist doch eine gute Bilanz.

Zimmermann: Es geht mir nicht darum, generell Arbeitsplätze abzubauen. Aber bei Überkapazitäten wie in der Autoindustrie ist dies nicht zu vermeiden. Eine kurzfristig sinnvolle Subvention birgt die Gefahr, sich langfristig falsch aufzustellen. Die Branche wird den Boomerang-Effekt spüren und dann auch zu Entlassungen greifen müssen.

SZ: Immerhin mehren sich die Anzeichen, dass es wirtschaftlich wieder bergauf geht.

Zimmermann: Daran aber hat die Abwrackprämie keinerlei Anteil. Zu hoffen, dass dadurch die Konjunktur anspringt, wäre illusorisch. Noch einmal: Die Abwrackprämie weckt keine neuen Kaufwünsche.

Und wie sieht Ihre Bilanz zur Abwrackprämie aus? Sagen Sie es uns hier!

© SZ vom 03.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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