Digitalstrategie:Wie die Post den Brief digitalisieren will

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Kunden sollen früh wissen, welche Briefe für sie unterwegs sind und wo sich Pakete befinden. Das Unternehmen will sich damit auch auf junge Kunden einstellen und sucht einen zeitgemäßen Weg für seine sehr analogen Produkte.

Von Helena Ott, Berlin

Zwischen den Managern in schwarzen Anzügen strahlt ein Paketbote in gelb-roter DHL-Montur hervor. Wenn er nicht gerade bei der Vorstellung der neuen Digitalstrategie der Deutschen Post Modell steht, dann fährt Maik Berkholz mit einem 3,5-Tonner durch Berlin-Mitte. Seit zehn Jahren liefert Berkholz Pakete aus. Und neuerdings trägt er neben seinem Unterschriftgerät einen kleinen Drucker am Hosenbund. Denn Berkholz ist nicht mehr nur Paketbote, er frankiert auch Pakete und Briefe und nimmt sie im Lieferwagen mit. "Die Kunden finden das super", sagt er mit abgehacktem Berliner Zungenschlag, "wenn sie mir das mitgeben können und nicht bei der nächsten Filiale anstehen müssen."

Der kleine Drucker ist eine der vielen Ideen, mit der die Post eine dreifache Herausforderung meistern will: Ihre Kunden versenden von Jahr zu Jahr weniger Briefe, wenngleich die Menge in Deutschland bislang nicht so stark eingebrochen ist wie in anderen Staaten. Zugleich transportiert die Post immer mehr Pakete durchs Land, vor allem wegen des boomenden Onlinehandels. Die Bundesnetzagentur meldet freilich auch, dass sich immer mehr Menschen über die Post beschweren.

"Wir wollen die sichere Zustellung von Paketen und Briefen beibehalten, diese aber mit der Digitalisierung koppeln", sagt Tobias Meyer, der Brief- und Paketchef der Post in Deutschland.

Dass Kunden Boten wie Berkholz Pakete mitgeben, das ging zwar schon früher. Neu ist aber, dass der Kunde das Adress- und Frankierfeld nicht mehr aufkleben muss. Stattdessen kann Berkholz ein selbstklebendes Adressfeld und eine Marke aus seinem mobilen Drucker ausdrucken. Dafür scannt der Bote einen Code vom Handy des Kunden ein. Der Code wurde erstellt, nachdem der Kunde via Post-App auf seinem Smartphone das Porto bezahlt und die Adresse eingegeben hat. Die "mobile Paketmarke" für die "mobile Retour", so nennt es Manager Meyer.

Mit der Digitalstrategie will die Post neuen Bedürfnissen der Kunden gerecht werden, aber auch Geld sparen. Das Versenden, das Empfangen, das Nachverfolgen von Sendungen - selbst Vorabbenachrichtigungen, was morgen im heimischen Briefkasten ankommen soll: All das soll effizienter werden. Bei der Vorstellung in Berlin erklären Männer in schwarzen Anzügen und eine Frau die neuen Services.

Abfotografierte Briefe

Einer der Männer in schwarz zeigt an seiner Station ein E-Mail-Postfach, in dem lauter gelbe Mails von der DHL lagern. Denn vom kommenden Sommer an wird es für Nutzer von GMX und Web.de möglich sein, Fotos von ihren Briefen zu sehen, bevor sie ausgeliefert werden.

Dazu scannt die Post eintreffende Briefe ein, ohne sie zu öffnen, und der Empfänger bekommt eine Mail mit dem Foto der Umschläge. Damit kennt man zwar beispielsweise noch nicht die Höhe des Bußgeldbescheids, aber weiß, dass ein solcher auf dem Weg ist.

Kunden müssen sich für dieses Angebot anmelden. Eine weitere Station präsentiert den Prototypen einer künftigen App-Funktion, die es im Laufe dieses Jahres ermöglichen soll, nachzusehen, wo sich ein erwartetes Paket gerade befindet. Damit reagiert die Post nicht nur auf die vielen Beschwerden über verspätete oder verloren gegangene Sendungen. Experten gehen auch davon aus, dass die sogenannte letzte Meile zu den Adressaten etwa die Hälfte der Kosten von Paketdiensten ausmachen. Konzerne wie die Post können also viel Geld sparen, wenn sie erfolglose Zustellversuche verhindern. Das neue Tracking zeigt den Kunden, wie viele Stopps noch zwischen dem Paketboten und der eigenen Haustüre liegen. Außerdem will die Post künftig am Tag vor der Auslieferung ein Zeitfenster von 90 Minuten angeben, in dem der Paketbote vorbei kommt. Empfänger könnten auch kurzfristig noch mitteilen, falls das Paket beim Nachbarn abgegeben werden soll, im Hausflur abgelegt werden soll, oder in der nächsten Packstation.

Erweiterte Packstation

Zudem führt ein Postvertreter die Packstation der Zukunft vor, die im Videochat mit dem Kunden kommunizieren soll und ebenfalls Adressfelder und Portosticker drucken kann. Die Post möchte die Zahl der Packstationen von 4000 im Laufe des Jahres auf 7000 erhöhen.

Politisch interessant ist diese Ankündigung, da das Bundeswirtschaftsministerium derzeit an einer Reform des alten Postgesetzes von 1997 arbeitet. Ein Streitpunkt dabei: Wie viele Filialen muss die Post künftig noch aufrechterhalten? Sollte der Gesetzgeber die erweiterten Packstationen als Verkaufsstellen auf dem Land akzeptieren, hätte es der Konzern künftig einfacher, die Vorgaben zu erfüllen.

Selbstgemachte Briefmarken

An der letzten Station führt die Post vor, wie sie das Briefgeschäft auch für sogenannte Digital Natives - also junge Leute, die mit dem Internet großgeworden sind - attraktiv halten will. Über eine App kann der Kunde die Höhe des Portos wählen, diese spuckt dann einen Code aus Zahlen und Buchstaben aus. Der Kunde schreibt den Code auf das Kuvert mit dem Zusatz "#Porto" - und fertig ist die selbstgemalte Briefmarke. Aber Moment, die Handschrift als Teil einer Digitalisierungsoffensive?

Was paradox anmutet, soll es Kunden von Ende 2020 an ermöglichen, mit ihrem Handy eine Marke zu generieren. Bezahlt wird die "mobile Briefmarke" über die App mittels dem verbreiteten Bezahldienst Paypal. Ist dies das Ende der bunten Bildchen auf randgezackten Briefmarken? "Nein, nein", wiegelt Post-Vorstand Meyer ab. Es würden nach wie vor Briefmarken angeboten. Zudem glaubt er, dass die Code-Briefmarke aus dem Smartphone nur eine Ergänzung sein wird.

© SZ vom 04.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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