Digitalisierung:Trotzdem glücklich

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Die Digitalisierung der Arbeit verdirbt wenigen Deutschen die Laune. Unterschiede zwischen Ost und West bleiben.

Von Thomas Öchsner

Wenn Unternehmen für sich werben wollen, kommen sie manchmal auf komische Ideen. Die Deutsche Post zum Beispiel hält sich für kompetent beim Thema Glück. "Uns als die Post für Deutschland liegt das Glück der Menschen am Herzen", sagt Konzernvorstand Jürgen Gerdes. Schließlich liefere die Post täglich Millionen von Briefen und Paketen und löse damit viele Glücksgefühle aus. Nun ja, das kann man so sehen. Man muss es aber nicht. Für die Post ist es jedenfalls Grund genug, seit 2011 einmal im Jahr den "Glücksatlas" vorzulegen und so nebenbei ein bisschen für das eigene Geschäftsglück zu trommeln.

"Uns geht es gut. Wir sind eigentlich gut drauf."

Streng genommen geht es dabei gar nicht um das Glück, das bekanntlich schnell verflogen ist. Tatsächlich geht es darum, wie gut die Deutschen drauf sind, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind. Um das herauszufinden, braucht man einen Glücksforscher. Das ist in diesem Fall der gut gelaunte Professor Bernd Raffelhüschen mit seinem Team. Der Freiburger Finanzwissenschaftler sagt ganz offen und weniger verschwurbelt als Postvorstand Gerdes, warum er hier in Berlin ist: "weil wir käuflich sind". Und weil er sich so eine Assistentenstelle an der Uni finanzieren lasse. Die Glückswerte, die Raffelhüschens Team ermittelt hat, nimmt der Professor jedoch durchaus ernst. Und die fasst er so zusammen: "Uns geht es gut. Wir sind eigentlich gut drauf."

Bankgeheimnis ade: Bei Comdirect konnten Kunden die Konten anderer Nutzer einsehen. (Foto: Thomas Trutschel/photothek.net)

Wie berechnet man nun Glück beziehungsweise Zufriedenheit? Entscheidend für Raffelhüschen sind dabei die vier G. Sie stehen für Gesundheit, Gemeinschaft (Ehe, Familie, Freunde), Geld (Vermögen, Immobilien) und die genetische Position im Sinne der inneren Einstellung, die ein Mensch mitbringt. Sie spielen auch bei der Befragung eine wichtige Rolle, auf der der Glücksatlas beruht. Die Forscher haben dabei Daten des sogenannten sozio-ökonomischen Panels ausgewertet, bei dem jährlich etwa 20 000 Menschen befragt werden. Dabei konnten sie auf einer Skala von 0 bis 10 angeben, wie zufrieden sie sind. In den Glücksatlas eingeflossen sind außerdem die Ergebnisse einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, das sich von Februar bis Mai 2015 bei etwa 5800 Teilnehmern nach ihrer Lebenszufriedenheit erkundigte.

Danach hat sich das "Glücksniveau" in Deutschland mit dem sehr präzisen Wert von 7,02 Punkten im Vergleich zum Vorjahr praktisch nicht verändert. Auch europaweit liegt die Bundesrepublik nach wie vor im oberen Mittelfeld mit Platz zehn. Spitzenreiter sind Dänemark, Schweden und die Niederlande, Schlusslicht ist kaum überraschend der Krisenstaat Griechenland, noch hinter Portugal und Bulgarien.

Nun soll der Glücksatlas auch klären, wo es sich denn am besten in Deutschland lebt. Hier stellen sich allerdings Fragen über Fragen. Der Norden schneidet dabei seit Jahren besonders gut ab. Nur Baden ist diesmal in die Dominanz von Schleswig-Holstein, Niedersachsen/Nordsee und Hamburg eingebrochen ( Grafik). Eine Erklärung - außer "der guten Nordseeluft" - kann Raffelhüschen dafür nicht liefern. Genauso bleibt es ein Rätsel, warum das beliebte Urlaubsgebiet Bayern Süd mit seinen Bergen und Seen nur in der Mitte liegt, noch hinter Niedersachsen und Hannover. Eine Antwort liefert allenfalls die Studie selbst. Darin heißt es: "Während die Lebenszufriedenheit der einzelnen ost- und westdeutschen Regionen nach wie vor erkennbar voneinander abweicht, fallen die Unterschiede innerhalb Westdeutschlands in der Regel nicht signifikant aus."

(Foto: SZ)

Sicher scheint dagegen zu sein, dass sich der Abstand zwischen Ost- und Westdeutschen auf der Zufriedenheitsskala verringert hat. Die Differenz liegt jetzt nur noch bei 0,15 Punkten. Raffelhüschen führt dies darauf zurück, dass die Lage am Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern besser geworden ist und die Realeinkommen dort deutlich gestiegen sind. Nach wie vor liegen die fünf Ost-Länder im Regionen-Ranking aber an letzter Stelle.

Besonders stark haben sich die Forscher diesmal mit der Frage beschäftigt, wie sich die Digitalisierung der Arbeitswelt auf die Zufriedenheit auswirkt. Dafür wurden extra etwa 1500 Berufstätige zwischen 16 und 67 Jahren befragt. Die klare Mehrheit sieht dabei vor allem Vorteile. Jeder Zweite gab aber an, dass die Arbeit stressiger geworden sei. Und 53 Prozent bewerten es eher negativ, durch Kunden, Kollegen und Vorgesetzte ständig erreichbar zu sein.

© SZ vom 26.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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