Digitalisierung:Gegen Monopole

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Achim Wambach ist Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Er war auch mal Vorsitzender der Monopolkommission. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Digitalisierung gefährdet die freie Marktwirtschaft. Experten wie Achim Wambach raten zum Gegensteuern.

Von Marc Beise, München

70 Jahre lang sind die Deutschen mit ihrer Wirtschaftsordnung gut gefahren, die im Grundgesetz vorgegeben und in vielen Gesetzen und Verordnungen konkretisiert worden ist. Der Ordnungsrahmen der "Sozialen Marktwirtschaft" war einerseits konkret genug, um zu viel Macht in einer Hand zu verhindern, und andererseits weit genug, um kreatives Wirtschaften zu ermöglichen. Deutschland ist eine der führenden Wirtschaftsnationen der Welt geworden, weit bedeutender, als es die Größe des Landes oder seine politische und militärische Macht vermuten ließe. Heute allerdings lautet die große Frage: Greift dieses Ordnungssystem noch im Zeichen der Digitalisierung oder muss das System grundlegend überarbeitet werden?

Diese Frage treibt Bundeskanzlern Angela Merkel mehr um, als das die Öffentlichkeit üblicherweise wahrnimmt. Ihr Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat vor einem Jahr führende Wettbewerbsexperten in eine Kommission berufen, die ihm einen neuen Ordnungsrahmen für die Digitalwirtschaft ("Wettbewerbsrecht 4.0") schreiben sollte: An diesem Montag übergeben die Fachleute dem Minister ihren Bericht, der der Süddeutschen Zeitung vorab vorlag und der ab Wochenbeginn auch im Internet verfügbar sein wird.

Der Bericht bildet insofern den Stand der Wissenschaft ab, als er die Gefahren der Digitalisierung für ein freies Wirtschaften präzise aufbereitet, mögliche Lösungen aber eher andeutet. Das kann auch nicht anders sein, zu gravierend sind die Veränderungen und zu sehr auch noch im Fluss. Klar ist nur, dass Digitalunternehmen, die ihr Geschäft mit den Daten beispielsweise der Bürger machen, immer mächtiger werden können und dann kaum noch Konkurrenz zu fürchten haben. Das aber genau wäre ja der Sinn einer offenen Wettbewerbsordnung, dass immer wieder neue Spieler auf das Feld kommen, die den alten ihr Geschäft streitig machen.

Die marktübergreifende Bedeutung von Daten kann sogar einen Wettbewerbsvorsprung auf anderen Märkten begründen: in der Sprache der Experten "eine neue Ausprägung konglomerater Effekte, die zur Entstehung integrierter digitaler Ökosysteme beiträgt. Damit hieraus resultierende Machtpositionen angreifbar bleiben, ist in diesen Fällen ein Zugang zu Daten zu gewährleisten, der wettbewerblichen Druck (wieder-)herstellt. Missbräuchliche Datenzugangsverweigerungen können und sollten nach geltendem Recht als Wettbewerbsverstoß identifiziert, Anordnungen zum Datenzugang können getroffen werden. Wird die Verweigerung von Datenzugang zu einem systematischen Problem, kann dies jedoch das Kartellrecht überfordern" - so der Bericht. Die Experten sehen vor allem vier Möglichkeiten, auf die Gefahr zu reagieren. So müssten

- die praktische und tatsächliche Verfügungsgewalt der Konsumenten über ihre eigenen Daten verbessert,

- klare Verhaltensregeln für marktbeherrschende Plattformen eingeführt,

- die Rechtssicherheit für Kooperationen in der Digitalwirtschaft erhöht sowie

- die institutionelle Verknüpfung von Wettbewerbsrecht und sonstiger Digitalregulierung verstärkt werden.

Um diese Ziele zu erreichen, hat die Kommission 22 konkrete Empfehlungen mit Blick auf Plattformen, Datenzugang und digitale Ökosysteme ausgearbeitet.

Insbesondere die Stärkung der Konsumentensouveränität sei ein wichtiges Instrument, um Wettbewerb zu sichern. "Je einfacher Konsumenten ihre Daten von einem zum anderen Anbieter portieren oder neuen Anbietern den Zugang zu Daten gewähren können, desto eher können Wettbewerber datenbasierte Machtpositionen angreifen", sagt dazu der Berliner Informatiker Martin Schallbruch, einer der Vorsitzenden der Kommission.

Der Bericht ist wichtig auch für die laufenden Arbeiten des Bundeswirtschaftsministeriums für eine Modernisierung des nationalen Wettbewerbsrechts. Altmaier will demnächst einen ersten Entwurf für ein digitales Wettbewerbsrecht vorlegen (GWB-Digitalisierungsgesetz).

© SZ vom 09.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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