Dienstwagen:Forscher kritisieren Dienstwagen-Privileg scharf

Auftakt 'Zukunftsforums Automobil'

Fallen wohl alle unter das Dienstwagen-Privileg: Die Oberklassefahrzeuge der Teilnehmer eines Autogipfels der bayerischen Staatsregierung im Jahr 2019.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der deutsche Staat unterstützt Firmenwagen mit Steuerbegünstigungen. Das führe zu einer sozialen und ökologischen Schieflage, sagen Kritiker.

Von Max Hägler

Es ist eine Zahl, die symbolisiert wie sehr Deutschland auch Autoland ist: 63 Prozent aller neuen Pkw wurden im vergangenen Jahr gewerblich zugelassen. Davon wiederum die Hälfte landete im gewerblichen Flottenbetrieb, vulgo: als Dienstwagen zumeist. Eine beachtliche Zahl, die gewollt ist: Anschaffung und Nutzung von Firmenwagen unterstützt der deutsche Staat steuerlich, auch zum Wohle der heimischen Autoindustrie.

Nun hat die Denkfabrik Agora Verkehrswende gemeinsam mit dem Öko-Institut die Wirkungen dieses automobilen Kreislaufs ausführlich durchgerechnet und kommt zu einem klaren Ergebnis: "Die gegenwärtige Ausgestaltung der Dienstwagenbesteuerung konterkariert die Bemühungen um eine sozial ausgewogene Verkehrswende." Die neue Bundesregierung sollte eine komplette Änderung dringend in Angriff nehmen, aus Gründen des Klimaschutzes, so die Verfasser, aber auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit. Es reiche jedenfalls nicht, diese Regelung "ein bisschen ökologisch aufzuhübschen", so Agora-Direktor Christian Hochfeld. Im Blick ist dabei vor allem die private Nutzung von Dienstwagen: Die Steuernachlässe allein in diesem Feld kosteten den Staat zwischen drei und sechs Milliarden Euro pro Jahr.

Kern der Regelung ist, dass Besitzer von Firmenwagen diesen nur mit einem Prozent des Listenpreises monatlich versteuern müssen. Für elektrifizierte Fahrzeuge gelten noch geringere Steuersätze - zwischen 0,25 und 0,5 Prozent. In einem der Beispiele der Forschungsinstitute bekommt der unverheiratete, kinderlose Herr Mustermann 71 000 Euro Bruttogehalt - und steht vor der Frage: Dienstwagen organisieren oder Privat-Pkw anschaffen (in der Rechnung ein Diesel-Audi Modell Q5) und die Arbeitsfahrten (4000 km pro Jahr) per Kilometergeld abrechnen? Das private Auto wäre für ihn klar von Nachteil. Denn egal ob er den privaten Anteil (16 000 km pro Jahr) per Fahrtenbuch abrechnet oder per Listenpreismethode: Der Dienstwagen ist lukrativer - auch für den Arbeitgeber, der die Anschaffung und den Betrieb von der Steuer absetzen kann, was meist günstiger ist als die Lohnkosten. Bei entsprechender Vertragsgestaltung, so die Forscher, sei ein gemeinsamer finanzieller Benefit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer von mehr als 3000 Euro pro Jahr erzielbar.

Die geförderten Fahrzeuge seien besonders klimaschädlich

Es sind Vorteile, die die Steuergemeinschaft vor allem jenen gewährt, die sowieso schon gut oder sehr gut verdienen. In den Zahlen von Agora und Öko-Institut ausgedrückt: Etwa die Hälfte des Geldes geht an das Fünftel der Haushalte mit den höchsten Einkommen, während die Haushalte der unteren Einkommenshälfte nur etwa ein Fünftel des Geldes bekommen. Und, so die Kritik der Forscher: Die geförderten Fahrzeuge seien besonders klimaschädlich, denn sie hätten durchschnittlich eine deutlich höhere Motorleistung (160 PS) als privat zugelassene Pkws (115 PS) und fahren mit rund 30 000 Kilometern doppelt so viel im Jahr. Dabei nehme der Vorteil paradoxerweise tendenziell zu mit Größe, Gewicht und Verbrauch des Fahrzeugs. Auch eine Klima-Lenkungswirkung durch die Extravorteile für E-Autos sei nicht zu erkennen: Privatmenschen melden im Vergleich zu gewerblichen Nutzern doppelt so viele Batterieautos an.

In Summe sei "die soziale und ökologische Schieflage" bei der Dienstwagenbesteuerung hierzulande besonders ausgeprägt, so die Forscher, die Lösungen aus Großbritannien und Belgien für sinnvoller halten: Diese Länder differenzieren bei der Bemessung des geldwerten Vorteils nach CO₂-Emissionen. Je höher die Emissionen, desto höher die Steuerabgabe.

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