Die weiche und die harte Linie:Welche Höhenflüge erlaubt sind

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Positiv- oder Negativliste? Jede Branche hat ihr eigenes Procedere, um die Abgabenwilligkeit ihrer Funktionäre zu kommunizieren.

Hans Leyendecker

Metall, die Gratis-Zeitschrift für die Mitglieder der IG Metall, liefert ihren Lesern regelmäßig einen Knüller. Das ist die Ausgabe mit den Namen der Funktionäre, die sich geweigert haben, einen Großteil ihrer Aufsichtsratsvergütungen auf das Konto der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung zu transferieren. Jedes Jahr stehen derart rund hundert Sünder am Pranger; in der Regel führen etwa 95 Prozent der Metaller ihre Tantiemen korrekt ab.

Die Gewerkschaft Verdi nähert sich dem Problem eher bejahend. Sie veröffentlicht alljährlich in ihrer Mitgliederzeitschrift eine "Positivliste" mit den Namen der Funktionäre, die ihre Aufsichtsratstantiemen ordentlich abgeführt haben. 1083 von 1482 waren es diesmal (75,8 Prozent). Gewerkschaftschef Frank Bsirske hat natürlich gezahlt.

Aber was ist davon zu halten, wenn der Verdi-Chef und stellvertretende Lufthansa-Aufsichtsratsvorsitzende kurz vor dem Streik erster Klasse im Lufthansa-Jet in den Südseeurlaub düst? Ohne was zu zahlen, wie Bild sich entrüstete?

Ein paar Nettigkeiten

Gewerkschafter drucksten rum. Dass eine solche Null-Buchung "unklug" sei - "aber bitte zitieren Sie mich nicht damit"-, lautet die Standardformulierung. Bei den Vergünstigungen für Aufsichtsräte gibt es aus Gewerkschaftssicht eine harte und eine weiche Linie.

Die harte geht so: Wer auf der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat sitzt, muss in der Regel 90 Prozent des Geldes an die Böckler-Stiftung abführen und darf rund zehn Prozent behalten. Bei Verdi müssen 80 Prozent an die Düsseldorfer DGB-Stiftung und zwanzig Prozent an eine Bildungseinrichtung von Verdi abgeführt werden. Wer nicht zahlt, kann verklagt werden, was jedes Jahr passiert. Er wird für kein Amt mehr von seiner Gewerkschaft nominiert und bekommt ansonsten Kollegenkeile.

Bei der Böckler-Stiftung kommen so rund 31 Millionen Euro jedes Jahr zusammen. Der Ertrag ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, weil die Vergütungen der Kontrolleure sehr stark gestiegen sind.

Die weiche Linie schließt Fälle wie den von Bsirske ein: Immer noch geben etliche Unternehmen ihren Kontrolleuren ein paar Nettigkeiten mit auf den Weg. Einige Energiekonzerne zum Beispiel gewähren beim Strom Rabatte, Hotels bieten Gratis- oder Billig-Übernachtungen an, und ganz früher bekamen Aufsichtsräte in Automobilunternehmen einen neuen Wagen, natürlich fast kostenlos. Das ist aber mittlerweile vorbei.

Kreuzfahrten nicht nur für Bosse

Wer fliegt, kann ebenso wie Mitarbeiter des Luftverkehrunternehmens kostenlos oder zumindest kostengünstig abheben. Schlagzeilen machte kürzlich Hapag-Lloyd, weil die Familie eines Vertreters der Kapitalseite im Aufsichtsrat in zwei Jahren rund 140 Tage für den Schnäppchenpreis von 100 Euro pro Tag auf der MS Europa geschippert war. Das Kreuzfahrt-Mandat mit der Billig-Reise ist seit Publikwerden des Falles perdu. Jeder Mitarbeiter und jeder Aufsichtsrat darf jetzt nur noch maximal zwei bis drei Wochen günstig mitreisen.

Der Jurist Roland Köstler, der bei der Böckler-Stiftung das Referat Wirtschaftsrecht I leitet und schon in einigen Aufsichtsräten (darunter Vodafone) saß, macht zwei Probleme aus: Generell müsse es zum einen eine "Gleichbehandlung" von Kapital- und Arbeitnehmerseite geben. Also MS Europa nicht nur für die Bosse. Zum anderen müssten größere Annehmlichkeiten wie Bsirskes erstklassiger Höhenflug als geldwerter Vorteil ordentlich "versteuert werden".

Ein Kollege Köstlers macht Bsirske "etwas ganz anderes als diesen Lufthansa-Flug" zum Vorwurf. Der Verdi-Chef sei "neulich mit Air-Berlin geflogen", und diese Luftfahrtgesellschaft sei bekanntlich "nicht mitbestimmungsfreundlich". Das gehört sich nun wirklich nicht.

© SZ vom 02./03.08.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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