Deutsche Bahn:Skandal um Beraterverträge

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In Köln beginnt eine der beiden Höchstgeschwindigkeitsstrecken für den ICE. (Foto: dpa-tmn)

Offenbar dubiose Zahlungen an ehemalige Vorstände werden geprüft. Der Konzern räumt "Auffälligkeiten" ein. Der Aufsichtsrat ist alarmiert.

Von Markus Balser, Berlin

Beim größten deutschen Staatskonzern braut sich eine Affäre um möglicherweise rechtswidrige Beraterverträge zusammen. Die interne Revision der Deutschen Bahn (DB) stieß nach Angaben aus Konzernkreisen im Februar auf fragwürdige Verträge. Demnach wurden zwischen 2010 und 2018 etwa 20 Verträge mit früheren Konzern- und Bereichsvorständen geschlossen, bei denen teilweise offen sein soll, ob es eine ausreichende Gegenleistung gegeben habe. Es geht insgesamt um einen Millionenbetrag. Zwei dieser Verträge mit einem Volumen von zusammen mehreren hunderttausend Euro sollen den früheren Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg betreffen. Auf Anfrage der SZ sagte Homburg, er wisse nichts von Untersuchungen und könne sich insofern auch nicht dazu äußern. "Ich gebe keine Stellungnahme ab."

Aufsichtsratschef Michael Odenwald erklärte: "Wir werden der Sache massiv auf den Grund gehen." Die Deutsche Bahn räumte "Auffälligkeiten" im Zusammenhang mit Beraterverträgen ein. Aufgekommen war das durch Fragen des Bundesrechnungshofs zu Beraterverträgen. Interne Recherchen förderten danach Verträge in der Konzernmutter sowie in Geschäftsfeldern zutage, die der Aufsichtsrat nicht genehmigt hatte. Sie könnten damit unwirksam sein und Rückzahlungsforderungen nach sich ziehen. Der Vorstand ließ die fragwürdigen Verträge prüfen und meldete sie nun dem Aufsichtsrat.

Die Bahn berief am Donnerstag kurzfristig den gesamten Aufsichtsrat "aus gegebenem Anlass" zu einer Telefonkonferenz ein. Zudem soll sich das Gremium in der kommenden Woche in einer Sondersitzung mit dem Fall befassen. Inzwischen ist auch die forensische Abteilung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eingeschaltet. Bis zur Aufsichtsratssitzung am 19. Juni erhofft sich Chefkontrolleur Odenwald neue Erkenntnisse. Insidern zufolge geht es etwa um den Verdacht, dass Manager nach ihrem Ausscheiden noch Beraterverträge bekamen, um die Abfindung aufzubessern. Auch die Gewerkschaften sind angesichts der Finanzlage des Konzerns verärgert. "Wir fordern schnelle Aufklärung", sagte ein Sprecher der größten deutschen Bahngewerkschaft EVG.

Der Fall kommt für die Bahn zur Unzeit.

Sie startet gerade eine Offensive ganz anderer Art. Einer neuen "DB Dachstrategie" zufolge, will der Konzern seine Passagierzahlen in den nächsten Jahren verdoppeln und dafür Strecken, Personal und die eigene Zugflotte massiv ausbauen. Das Ziel: mehr Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. So geht es Aufsichtsräten zufolge aus einem internen Strategiepapier hervor.

Angesichts aktueller Probleme klingen die Pläne wie der Sprung in eine andere Ära. "Wir werden die Zahl der Reisenden auf mehr als 260 Millionen verdoppeln", verspricht die Strategie. Damit macht sich die Bahn eine Forderung der großen Koalition bis 2030 zu eigen. Helfen sollen zusätzliche Verbindungen und ein dichterer Takt. Die 30 größten Städte des Landes will die Bahn demnach künftig im Halbstundenrhythmus verbinden. Bahnhöfe sollten zu "Drehscheiben moderner Mobilität" werden, mit neuen Angeboten wie Carsharing, E-Scootern und mietbaren Arbeitsplätzen.

Als "enormen Kraftakt" bezeichnet die Bahn selbst intern den Plan. Der Konzern braucht nicht nur Hunderte ICE zusätzlich - mit 200 rechnet die Bahn allein bis 2024. Nötig wird auch ein kostspieliger Ausbau von Strecken. Die wichtigsten Routen sind schon jetzt überlastet. So müssen etwa zwischen Berlin und Düsseldorf sowie zwischen Hamburg und Stuttgart mehrere Passagen zu Schnellstrecken ausgebaut und das Fernverkehrsnetz digitalisiert werden. Um den Ausbau zu bewältigen plane der Konzern 100 000 Mitarbeiter einzustellen - viel mehr als die Bahn ersetzen muss.

Aufsichtsräte bleiben allerdings skeptisch. Denn dem hoch verschuldeten Konzern fehlen für die geplanten Ziele die finanziellen Mittel. Er muss auf Finanzspritzen des Bundes hoffen. Der Vorstand will sich in der Strategie auch deshalb nicht auf zeitliche Vorgaben für die Ziele festlegen. Vorantreiben will die Bahn auch die Konzentration auf den Schienenverkehr. Neben der Auslandstochter Arriva könnte sie Teile der Spedition Schenker verkaufen. Sie betreibt Güterverkehr per Lkw und macht der Güterbahn Konkurrenz.

© SZ vom 07.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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