Deutsche Bahn:Merkels Mann

Lesezeit: 4 min

Seitenwechsler: Ex-Politiker Ronald Pofalla ist im Vorstand der Deutschen Bahn für Infrastruktur zuständig. (Foto: Rolf Vennenbernd/picture alliance)

Ronald Pofalla gilt als Kandidat für die Nachfolge des zurückgetretenen Bahnchefs Rüdiger Grube. Entschieden aber ist nichts. Denn ihn belastet ein Makel.

Von Markus Balser und Stefan Braun, Berlin

Nein, reden kommt nicht in die Tüte. Nicht jetzt. Und erst recht nicht über die wirklich spannende Frage. Ronald Pofalla kann ein freundlich-gesprächiger Mann sein. Er ist erreichbar, man kann mit ihm reden, auch mal über Gott und die Welt, wenn es sein muss. Aber wenn wie derzeit die Luft brennt, kann er sehr entschlossen abwinken. Zu heiß ist die Lage nach dem überraschenden Rücktritt des Bahnchefs; zu oft wird der Name Pofalla mit der Suche nach einem Nachfolger von Rüdiger Grube verbunden. Also bleibt es auch am Mittwoch so, wie es seit dem spektakulären Abgang Grubes am Montag gewesen ist: kein Wort von Pofalla. Kein Kommentar und keine unbedachte Bemerkung soll die Situation in diese oder jene Richtung verändern.

Außerdem ist die Sache auch für ihn überraschend und eigentlich zu früh gekommen. Die langfristige Strategie, die bei seiner Berufung in den Bahnvorstand stets mitschwang, sah ein anderes Drehbuch vor - eines, das ihm mehr Zeit lassen würde, um sich als Nachfolger zu empfehlen. Erst zum Jahreswechsel war der 57-Jährige im Bahnvorstand zum Infrastruktur-Chef befördert worden. Grube wollte Pofalla damit, so hieß es immer wieder, zum neuen starken Mann aufbauen - allerdings für die Zeit nach Grubes sicher geglaubter Vertragsverlängerung, gedacht bis 2020.

Pofalla, in den ersten Jahren Vorstand für Wirtschaft, Recht und Regulierung, übernahm im Januar ein für die Bahn besonders wichtiges Ressort mit 70 000 Beschäftigten. Neben der Erneuerung des maroden Netzes soll er sich in dem neuen Groß-Ressort auch um die Abteilungen Wirtschaft, Politik, DB Sicherheit und internationale Geschäftsbeziehungen kümmern. Das Ziel: Der Politiker Pofalla sollte beweisen, dass er auch als Manager und Führungskraft in einem Unternehmen bestehen würde. Kein schlechter Plan, jedenfalls aus Sicht von Pofalla. Umso heikler ist die Lage für ihn jetzt geworden.

Zunächst nämlich verschlechtert der abrupte Rücktritt von Grube Pofallas Chancen. Noch hat der Ex-Kanzleramtschef und Ex-CDU-Generalsekretär, der erst 2015 in den Konzern wechselte, als Bahn-Vorstand nicht wirklich viel vorzuweisen. Sicher, im Kanzleramt und an anderen Stellen in der Regierung haben sie registriert, dass Pofalla in den letzten Monaten mit großem Einsatz - manche sagen: "geradezu rührig" - zahlreiche Bundesländer bereiste, um für die Bahn, für Streckenrenovierungen und die Wiederbelebung auch stillgelegter Passagen zu werben. Das könnte ihm Pluspunkte eintragen; es ist das Feld, das er ohnehin am ehesten einbringen könnte: seine über Jahrzehnte gewachsenen Kontakte, auch in andere Parteien, nicht nur zu den Christdemokraten.

Hinzu kommt, dass er als CDU-Vormann zwar ein harter, manchmal aggressiver Gegner sein konnte, aber nie dem konservativen Flügel angehörte. Der studierte Sozialpädagoge, der später ein Jura-Studium anschloss, zählte früh zu jenen, die an der Seite des jüngst verstorbenen Peter Hintze aufstiegen. Schon bald nach der Wiedervereinigung avancierte er wie Hintze zum engen Unterstützer Angela Merkels. Ob Familien-, Sozial- oder Umweltpolitik - Pofalla gehörte stets zu denen, die es für nötig hielten, die alte Kohl-CDU neu auszurichten.

Vieles spricht für ihn - wäre da nicht der schlechte Zeitpunkt vor der Bundestagswahl

Dass er ausgerechnet in der Kanzlei von Stephan Holthoff-Pförtner, dem Anwalt Helmut Kohls, arbeitete, steht dazu nur vermeintlich im Widerspruch. Zum einen verschaffte es gerade ihm die Möglichkeit, später eine Art Befriedung zwischen Merkel und Kohl einzuleiten. Außerdem trägt der Sohn einer Putzfrau und eines Feldarbeiters, der viele Jahre in der Familie half, gewissermaßen zwei Herzen in seiner Brust. Neben seinem sozialen Grundverständnis ist er auch stolz auf seinen persönlichen Aufstieg, der ihn an der Seite Merkels 2009 bis ins Kanzleramt führte. Ersteres könnte ihm als möglichem Bahnchef im Umgang mit Gewerkschaften helfen; letzteres hat dazu beigetragen, dass er sein persönliches Netzwerk noch einmal verbreitern konnte. Auch das dürfte kein Argument gegen ihn sein. Jeder Bahnchef braucht Verbündete in Politik und Wirtschaft, sonst kann er bei den derzeitigen Herausforderungen für die Bahn gleich einpacken.

Dazu spielt noch etwas anderes Pofalla womöglich in die Hände. Bislang stehen nicht viele externe Kandidaten Schlange, die das Format und den Mut hätten, sich auf den Schleudersitz Bahnchef einzulassen - jetzt, da die Bahn nicht wirklich blendend da steht. Auf vielen Strecken sind die Schienen nicht mehr die Neuesten, Milliardeninvestitionen scheinen unvermeidlich. Im Güterverkehr wächst die Konkurrenz; ausgerechnet das Bundesverkehrsministerium verschärfte jüngst mit der Genehmigung für so genannte Gigaliner auf der Straße die Lage für die Bahn weiter. Dazu kommt, dass der Aufsichtsrat des Konzerns mit 300 000 Mitarbeitern und 40 Milliarden Euro Jahresumsatz zerstritten ist. Nicht nur die beteiligten Ministerien des Bundes beharken sich gegenseitig; auch die einflussreichen Gewerkschaften üben Druck aus. Und dann mischen auch noch umstrittene Manager wie der frühere RWE-Chef Jürgen Großmann mit, der kaum einem Streit aus dem Weg geht. "Sie werden kaum jemanden finden, der das alles mitmacht", warnt eine Führungskraft des Bahn-Konzerns. Zumal die Bahn schlechtere Gehälter zahlt als ein börsennotiertes Unternehmen vergleichbarer Größe.

So spräche also manches für Pofalla - wäre da nicht der maximal schlechte Zeitpunkt von Grubes Rücktritt. So kurz vor der Bundestagswahl könnte eine Einigung der Koalitionspartner, wie sie im Fall der Bahn üblich ist, schwierig werden. Zu unsicher ist, was danach kommt; und zu groß die Gefahr, dass eine neue Regierung die Verkehrspolitik völlig umkrempelt. Außerdem wird sich die Kanzlerin, die bei dieser Frage mitentscheidet, genau überlegen, welche Berufung ihr im Wahljahr gut tut - und welche schadet. Pofalla gilt als enger Freund. Und er hat sich, mindestens bei seinen Gegnern, den Ruf eingehandelt, er habe seine Nach-Politik-Karriere sehr weich gebettet eingefädelt. Wie hieß es am Mittwoch aus der Regierung: "Hier müssen sehr viele Fragen abgewogen werden."

© SZ vom 02.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: