Deutsche Bahn:Finanzchef geht

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Der Konflikt mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wurde zu heftig: Alexander Doll verlässt den Staatskonzern. Doch nicht nur die geplante Millionenab­findung sorgt für Diskussionen.

Von Markus Balser, Berlin

Nach einem heftigen Streit im Bahn-Vorstand gibt Finanzchef Alexander Doll seinen Posten auf. Weil ihm auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) das Vertrauen entzogen hatte, habe sich Doll zum freiwilligen Abschied entschlossen, hieß es am Freitag aus Kreisen des Aufsichtsrats. Das Gremium hatte für Montag eine Sondersitzung anberaumt, um über die Trennung von Doll zu beraten. Vergangene Woche war ein erster Versuch, Doll zum Ausstieg zu bewegen, noch an formellen Gründen gescheitert.

Für Diskussionen dürfte beim Abschied allerdings sorgen, dass Doll nach Informationen der Süddeutschen Zeitung eine hohe Abfindung erhält. Es gehe um einen siebenstelligen Betrag, verlautet aus Aufsichtsratskreisen. Unter Mitgliedern des Kontrollgremiums sorgt dies für erheblichen Wirbel: Den Bahn-Mitarbeitern sei dies kaum zu erklären, wenn man mit der Arbeit des Vorstands derart unzufrieden sei, sagt einer. Die Aufsichtsräte müssten der Abfindung am Montag zustimmen. Offen ist, ob sich dafür wirklich eine Mehrheit findet.

Hintergrund des Abschieds ist ein Zerwürfnis in der Konzernspitze. Aus dem Vorstand aber auch von Aufsichtsräten wurde Doll heftig dafür kritisiert, dass er zu spät über Risiken und Probleme beim geplanten Verkauf der Auslandstochter Arriva informiert habe. Zudem soll er zu wenig gegen die Krise im Geschäft mit Güterbahnen getan haben, das er ebenfalls verantwortet. Bei der Krisentochter DB Cargo fallen die Verluste in diesem Jahr wieder deutlich größer aus. Eigentlich sollten die Probleme im laufenden Jahr besser werden. Nach Angaben aus Konzernkreisen bestreitet Doll die Vorwürfe. Tatsächlich ist Doll nur ein Teil der Probleme anzulasten. In der Güterverkehrssparte geht es schon seit einem Jahrzehnt abwärts. Doll hatte den Posten vor zwei Jahren übernommen. Aus Bahnkreisen heißt es, er wolle mit dem Ausstieg einen Schlussstrich unter den Streit setzen. Der Konzern wollte sich am Freitag zu der Personalie nicht äußern und verwies auf die Sitzung am Montag.

Mit dem Abschied ist die Führungskrise beim größten deutschen Staatskonzern jedoch nicht gelöst. Sie erreicht eher einen neuen Höhepunkt. Aufsichtsräte hatten zuletzt dem gesamten Bahnvorstand mangelnde Führungskraft attestiert. Unklar ist, wie der für die Bahn wichtige Posten schnell wiederbesetzt werden kann.

Vorübergehend könnte Vorstandschef Richard Lutz den Posten kommissarisch mitübernehmen. Lutz war vor dem Sprung an die Konzernspitze Finanzchef der Bahn. Völlig offen ist, wie es mit dem geplanten Verkauf der Unternehmenstochter Arriva weiter geht, den Doll eigentlich vollenden sollte. Doch die gewünschten Einnahmen von fast vier Milliarden Euro lassen sich angesichts hoher Pensionsverpflichtungen derzeit offenbar kaum realisieren. Möglicherweise werde der Verkauf komplett gestoppt, heißt es in Aufsichtsratskreisen. Allerdings muss die Bahn dann schnell andere Einnahmequellen suchen. Mit scharfer Kritik an der Bundesregierung tritt derweil der neue Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Torsten Westphal, sein Amt an. Die Gewerkschaft vertritt den größten Teil der Bahn-Mitarbeiter. Viele Beschäftigte des Unternehmens schämten sich für die vielen Mängel im Schienenverkehr, sagte der bisherige EVG-Bundesgeschäftsführer. Die Mitarbeiter hätten "die Nase bis obenhin voll".

© SZ vom 16.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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