Deutsche Bahn:Aus dem Takt

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Neue Bilanzierungsregeln bescheren dem Konzern höhere Schulden. Das ist brisant, denn die roten Zahlen des Unternehmens sind ein sensibles Politikum.

Von Markus Balser, Berlin

"Auf dem Weg zu einer besseren Bahn". Die 28-seitige Präsentation des Konzerns, mit der die Bahn derzeit international um Geld und Investoren wirbt, verspricht gleich zu Beginn so einiges: Aktiv in 130 Ländern, Millionen Passagiere, bald bessere Bahnhöfe und Züge und schon jetzt gute Ratings von Investmentbanken, so stellt das neue Papier die Lage des Konzerns dar. Auf der letzten Seite allerdings macht das Werk eine erstaunliche Zahl publik, die in der Bundespolitik einigen Wirbel auslösen könnte: Den Angaben zufolge steigen die Schulden der Bahn gerade sprunghaft an. Waren es vor einem Jahr noch 19,5 Milliarden Euro, sind es aktuell 25,3 Milliarden. Der Schuldenberg der Bahn ist in Deutschland seit Jahren ein sensibles Politikum. Eigentlich dürfte er derzeit gar nicht mehr steigen. Denn der Bundestag wacht streng über die Einhaltung einer von der Politik festgesetzten Schuldengrenze bei 20 Milliarden Euro. Bislang bewegte sich der Konzern nur knapp darunter. Mehr, hieß es bis zuletzt auch aus dem Bundestag, sei einfach nicht drin. Doch nun wird klar, dass neue Bilanzierungsregeln für die Bahn tiefere Spuren in der Bilanz hinterlassen, als das bislang bekannt war. Weil neue Vorschriften bestimmen, dass Leasingverbindlichkeiten nicht mehr ohne Folgen für die Bilanz geführt werden dürfen, steigen die Schulden des Konzerns nun sprunghaft an. Denn davon, so wird nun klar, hat der Konzern so einige. So viele, dass Ende des Jahres noch Schulden von 24,4 Milliarden Euro in der Bilanz stehen werden. Die Bahn wird bei der Bekanntgabe der Halbjahresbilanz im Juli erstmals offiziell über die neue Berechnung des eigenen Zahlenwerks informieren.

Zu den Leasingverträgen gehört auch die gläserne Zentrale am Potsdamer Platz, die die Deutsche Bahn geleast hat. Zahlungen für solche Verträge konnten Konzerne nach alten Bilanzregeln meist ohne Folgen für die Bilanz leisten. Die Praxis stand allerdings seit Längerem in der Kritik und wurde mit den neuen Regeln nach dem Standard IFRS, der bei der Bahn nun erstmals umgesetzt wird, schließlich unterbunden. Weil die Zahlen der Bahn sich nicht geändert haben, sondern nur die Regeln, mit denen sie berechnet werden, muss nun wohl auch die Politik nachjustieren. In Kreisen der Regierung ist davon die Rede, dass eine neue Schuldengrenze wohl bei 24 bis 25 Milliarden Euro liegen müsste.

Ob es allerdings bei dem neuen Schuldenstand bleibt, ist offen. Auf 2,2 Milliarden Euro taxiert die Bahn allein für dieses Jahr eine drohende Finanzlücke. In den kommenden Jahren braucht die Bahn jeweils weitere Milliarden. Um sie zu schließen, plant die Bahn den Verkauf der Auslandstochter Arriva. Das Geschäft könnte dem Konzern 3,5 bis vier Milliarden Euro in die Kassen spülen.

Doch noch ist offen, ob der von der Bahn favorisierte Komplettverkauf bereits in diesem Jahr gelingt oder ob das Unternehmen an die Börse gebracht wird. Das würde bedeuten, dass die Bahn zunächst nur einen Teil des Konzerns verkaufen und nur einen Teil der erhofften Einnahmen erlösen kann. Sollten die Einnahmen geringer ausfallen als erhofft, könnten auch die Schulden noch stärker ansteigen. Derzeit sichtet der Konzern die ersten Interessensbekundungen und wird in den nächsten Wochen Verkaufsgespräche führen. Im September soll eine Entscheidung fallen. Dann soll der Aufsichtsrat über die Art der Trennung entscheiden.

Die Bahn braucht derzeit viel Geld, um es in neue Züge, die Modernisierung des Netzes und in mehr digitale Technik zu investieren. So will der Konzern Qualitätsproblemen etwa bei der Pünktlichkeit begegnen und dem Wunsch der großen Koalition nachkommen, deutlich mehr Passagiere in die Züge der Bahn zu bekommen. SPD und Union hatten sich im vergangenen Jahr zum Ziel gesetzt, die Zahl der Bahnpassagiere bis 2030 zu verdoppeln.

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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