Deutsche Bahn:Am Anfang ein Ende

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*Verspätung von mindestens sechs Minuten, **bis Ende Mai; SZ-Grafik; Quelle: Deutsche Bahn (Foto: SZ-Grafik)

Der neue Konzernchef Richard Lutz will die regelmäßigen Preiserhöhungen bei der Bahn stoppen. Die Bahn soll pünktlicher, aber erst mal nicht teurer werden. Das könne man sich ob der Konkurrenz durch Fernbusse nicht mehr leisten.

Von Markus Balser, Berlin

Abfahren, ankommen: Seit Richard Lutz im März zum Bahn-Chef befördert wurde, ist das Reisen von Millionen Menschen Alltag für den 53-Jährigen. Die eigene nur ein paar Büros und Stockwerke weiter nach ganz oben in der gläsernen Berliner Bahnzentrale am Potsdamer Platz aber fühlt sich noch immer fremd an. Seit 23 Jahren arbeitet Lutz, bislang Finanzchef, schon im Staatskonzern. "Man denkt, da hat man schon alles gesehen." Doch nach zwei Monaten auf dem Chefposten weiß Lutz es besser: "Das war ganz sicher falsch." Ein entgleister ICE im Dortmunder Hauptbahnhof, eine Reise nach Saudi-Arabien mit der Regierungsdelegation der Kanzlerin, ein Mittagessen mit dem indischen Premier Narendra Modi, die Folgen eines beispiellosen Cyberangriffs auf die Infrastruktur der Bahn: "Die vergangenen zwei Monate haben mir vor Augen geführt, wie der Posten mein Leben verändert", sagt Lutz. Bis vor ein paar Wochen war Wochenende noch Wochenende, war Lutz' Platz der hinter Rüdiger Grube. Jetzt steht der zurückhaltende Betriebswirt selbst im Rampenlicht.

Lutz war im März zum neuen Bahn-Chef ernannt worden, nachdem Vorgänger Rüdiger Grube im Streit um seine Vertragsverlängerung sein Amt aufgegeben hatte. In den ersten Wochen hatte Lutz dazu geschwiegen, was sich für die Bahnkunden unter seiner Führung in den kommenden Monaten und Jahren ändern soll. Jetzt kündigt der Bahn-Chef an: Die Bahn soll pünktlicher, aber erst mal nicht teurer werden. Sie will die Strategie aufgeben, steigende Kosten durch regelmäßige Preiserhöhungen aufzufangen. Immer teurere Tickets seien angesichts der Konkurrenz durch Fernbusse kaum noch durchzusetzen, glaubt Lutz. Der Konzern werde stattdessen versuchen, die Auslastung seiner Züge auch mithilfe neuer Preismodelle zu verbessern - und zusätzliche einsetzen. So könnten Tests mit unterschiedlichen Preisen je nach Auslastung der Züge ausgeweitet werden. Ein Ticket könnte dann etwa am Donnerstagnachmittag auf der gleichen Strecke weniger kosten als am viel frequentierten Freitagnachmittag.

Schon für dieses Jahr rechnet der Konzern auch deshalb mit so vielen Fahrgästen wie noch nie. Ihre Zahl ist bereits in den ersten vier Monaten des Jahres um drei Prozent gestiegen, sagte Lutz. Damit steuere die Bahn auf einen weiteren Rekord zu. Im Vorjahr waren es 139 Millionen. Helfen könnte dabei auch das wichtigste Neubauprojekt der Bahn - die Schnellstrecke VDE8, die Berlin und München von Ende dieses Jahres an in weniger als vier Stunden verbinden soll.

Damit zeichnet sich auch ab, dass die Zahlen des wegen seiner hohen Schulden angeschlagenen Staatskonzerns im laufenden Jahr wohl besser ausfallen als erwartet. Der Umsatz soll von 40,6 Milliarden auf mindestens 41,5 Milliarden Euro steigen, der Gewinn von 1,95 Milliarden auf 2,1 Milliarden Euro. Wir sind "deutlich besser als erwartet über alle Geschäftsfelder".

Schon das leicht wachsende Geschäft gilt als Überraschung. Denn das Geschäft mit Fahrgästen und Gütern auf der Schiene gerät derzeit zunehmend unter Druck, weil vergleichsweise günstiger Treibstoff Busse und Lastwagen noch immer billiger macht und deshalb wieder mehr Verkehr auf die Straße abwandert.

Die Fernzüge sind pünktlicher geworden, doch die Saison mit den Baustellen beginnt erst

Noch nicht am Ziel sieht Lutz die Bahn bei der Pünktlichkeit der Züge. Die Fernzüge des Konzerns sind zwar immer seltener verspätet unterwegs. Der Anteil pünktlicher ICE und Intercitys lag von Jahresanfang bis Ende Mai im Durchschnitt bei 82 Prozent - drei Prozent mehr als im gesamten Vorjahr. Allerdings stehe die traditionelle Sommersaison mit mehr Baustellen und entsprechend mehr Verspätungen noch bevor, gestand Lutz ein. Der Bahn hilft bei ihrer Statistik, dass sie die Pünktlichkeit weiter auslegt als mancher Fahrgast. Bis zu einer Verspätung von 5. 59 Minuten wertet die Bahn ihre Züge noch als pünktlich.

© SZ vom 31.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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