Degler denkt:WM der Auto-Nationen

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Zitterpartie Opel-Zukunft: Hinter den Rettungsbemühungen für den angezählten Autohersteller wird ein anderer Aspekt der Großen Krise sichtbar - der Verteilungskampf um Marktanteile von morgen.

Dieter Degler

Ginge es ausschließlich nach den Gesetzen der Marktwirtschaft, wäre schon in der Nacht zu Donnerstag alles zu Ende gewesen: Die Bundesregierung hätte nicht die erneute Verlängerung des Rettungsrennens um Opel verkündet und damit die Hoffnung der 26.000 Opelaner am Leben gehalten, sondern das sichere Ende des traditionsreichen deutschen GM-Filialisten.

Immer noch keine Entscheidung: GM will 300 Millionen Euro mehr vom Staat - doch der Bund will nicht mehr Geld geben. Die Minister Guttenberg und Steinbrück mit Hessens Ministerpräsidenten Koch, umringt von Journalisten. (Foto: Foto: ddp)

Denn Bedarf an den Fahrzeugen aus Rüsselsheim, Bochum und von sonst wo her hat eine Welt mit automobilen Überkapazitäten von knapp 30 Prozent nicht. Deutlich gemacht hat das - nach jahrzehntelangem Missmanagement bei General Motors - auch die Abwrackprämie: Bei den Neukäufen liegt Opel zwar mit 10,4 Prozent nicht übel, aber unter den verschrotteten Autos tragen 19,4 Prozent den Blitz im Logo. Das Schwinden der Marktanteile hat sich mithin beschleunigt. Nach dem Auslaufen der Prämie wird dann die Scheinblüte der Umsätze im Eiltempo verwelken, und Opel wird noch stärker unter Druck geraten, wenn all die Tatas und Cherrys aus Indien und China mit ihren 1000-Euro-Autos den Markt erobern werden. Die Leidensphase des Autobauers würde also auch mit einer Rettung nur fortgesetzt.

Zu verteidigen wäre die Staatsaktion, zu der das halbe Kabinett Senf und Segen geben müsste, allenfalls unter einem Aspekt: Eine der deutschen Kernindustrien auf Teufel komm raus international so stark wie möglich erscheinen zu lassen. Denn die Große Krise, die immer stärker aus der Abstraktion der Finanzwelt in die Wirklichkeit der Menschen metastasiert, ist auch das Schlachtfeld um die besten Startpositionen für die Aufteilung der Weltmärkte im dritten Jahrtausend: Wer beherrscht den Automobilmarkt der Zukunft? Wessen Banken werden die Kapitalmärkte dominieren? Bleiben die Hidden Leaders Weltmarktführer? Wer kontrolliert morgen Maschinenbau, Chemie und all die anderen globalisierten Branchen?

Deutschland und Europa hätten gute Chancen, aus dieser Krise im Wortsinne Kapital zu schlagen - theoretisch. Doch die EU leidet unter den Integrationswehen ihrer rasanten Expansion nach Osten und präsentiert sich zerstritten wie eh und je. Eine gemeinsame Verfassung liegt ebenso in weiter Ferne wie eine gemeinsame Außen- oder gar Wirtschafts- und Sozialpolitik. Italien kämpft für Fiat, Frankreich für Peugeot und Renault, England fürchtet um den Finanzplatz London und wehrt sich deshalb gegen europäische Kontrollpläne. Auch das wissen und spüren die Menschen, weshalb sie Anfang Juni wohl nur verhalten an der Wahl des gemeinsamen Parlaments teilnehmen werden.

In der ökonomischen Champions League von morgen und übermorgen dürften vor allem fünf Teams eine gewichtige Rolle spielen: Europa, USA, China, Indien und der Block der Rohstoffbesitzer. Wer beim Kampf um die globale Meisterschaft die Nase vorn haben wird, ist zwar noch nicht ausgemacht. Dass es der alte Kontinent mit seinen kulturellen, historischen und politisch-ökonomischen Differenzen sein wird, ist alles andere als sicher. Gut im Rennen liegen derzeit die Chinesen, die für Opel und andere deutsche Krisenunternehmen mitbieten: Mit rund zweitausend Milliarden Dollar Währungsreserven, gewaltigem Anti-Krisen-Einsatz und immer noch hohen Wachstumsraten ist China bestens gerüstet, jederzeit aufkommende Schwächen der Wettbewerber zu nutzen. Und auch Obama-Land ist noch lange nicht abgeschlagen.

Die Amerikaner sind noch immer Weltmeister in einer Disziplin, auf die es in einer Krise ganz besonders ankommt: Sich selbst neu zu erfinden.

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