Degler denkt:Die Koalition der Schiebung

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Mit den Bad Banks überlässt Deutschland die Begleichung der Finanzkrisen-Schulden der nächsten Generation. Das Verfahren hat System.

Dieter Degler

Im Fußball gibt es ein paar goldene Regeln, die sich über Jahrzehnte bewahrheitet haben. Zum Beispiel: "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel." Oder dass oft verliert, wer das Ergebnis nur halten will und auf Zeit zu spielen versucht.

Achtung, Baustelle: Der Staat haftet für Schrottpapiere. (Foto: Foto: AP)

Manchmal lassen sich goldene Kicker-Wahrheiten auch auf die Politik übertragen: Wer Probleme vor sich herschiebt statt sie zu lösen, muss damit rechnen, beim nächsten Urnengang vom Wähler abgestraft zu werden.

In dieses Risiko läuft seit Monaten die Berliner Koalition. Denn sie löst drängende Herausforderungen nicht, sondern schiebt sie in die kommende Legislaturperiode oder auf den Sankt Nimmerleinstag.

Bestes Beispiel dafür sind die aktuellen Pläne zur Einrichtung von Bad Banks, bei denen jene toxischen Wertpapiere im Volumen von rund 830 Milliarden Euro zwischengelagert werden sollen, die seit Monaten das Vertrauen der Banken untereinander zerstören und damit die dringend nötige Vergabe von Krediten an Unternehmen behindern. Sind die Bankbilanzen erstmal vom Unrat der Finanzkrise bereinigt, so die Hoffnung, komme der Interbankenverkehr wieder in Fluss.

Nur: Bleiben die Papiere, wofür Vieles spricht, auch auf Dauer wertlos, müssen schließlich die Steuerzahler für die Verluste einstehen. Dieser Fall, will uns der Finanzminister beruhigen, könne aber erst am Ende der Laufzeit der Papiere, also nach zehn bis fünfzehn Jahren eintreten.

Die ars politica, die Kunst der Staatslenkung, ist zum Prinzip des Vertagens verkommen: Schieben, schieben, schieben, lautet die Berliner Parole. Am liebsten auf die nächste Generation, aber mindestens in die nächste Legislaturperiode.

Das gilt für den Umgang mit den Produkten, welche die Finanzkrise ausgelöst haben, ebenso wie für das Endlagerproblem der Kernenergie. Mit Milliardenaufwand verschoben ist die nötige Konsolidierung der Kraftfahrzeugbranche, die kommendes Jahr mit umso größerer Wucht auf Steuerzahler und Arbeitsmarkt niedergehen wird. Das Ziel der Haushaltkonsolidierung ist praktisch aufgegeben. Die nachhaltige Reform der sozialen Sicherungssysteme ist auf die ganz lange Bad Bank geschoben, die Kimakatastrophe muss warten, und die versprochene Datenschutznovelle ist trotz der Skandale bei Lidl, Bahn und Telekom auf einen unbestimmten Termin nach der nächsten Wahl vertagt.

Vor allem beim Umgang mit der Wirtschaftskrise wird sich die Schieberei bitter rächen. Denn: Zieht die Konjunktur nicht bald oder nur schwach an, kommen immer mehr Unternehmen weiter unter Druck - was eine weitere ökonomische Abwärtsspirale auslösen könnte. Die letzten Leiharbeiter würden ebenso arbeitslos wie jene Hunderttausende Menschen, die schon jetzt auf Kurzarbeit reduziert sind. Deshalb richten sich viele Banken bereits jetzt auf massive Kreditausfälle durch Privat- und Geschäftskunden ein.

Mit kluger und verantwortungsvoller Politik hat diese Art der Administration nicht viel zu tun. Sie ist so angemessen wie beim Fußball die Verhängung eines Strafstoßes nach einer offensichtlichen Schwalbe im Sechzehner. Fans haben für solche nicht sachgerechten Entscheidungen einen prima Begriff: Schiebung.

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