Konjunktur:Das Minus-Wunderland

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Die Wirtschaft schrumpft schneller denn je - doch die Politik kann dies nur abmildern. Verhindern kann sie es nicht.

Ulrich Schäfer

Norbert Walter galt vor einigen Wochen als der Depp der Nation. Der leicht nervige, auf allen Fernsehkanälen präsente Chef-Volkswirt der Deutschen Bank sagte im Februar voraus, die Wirtschaft der Bundesrepublik werde in diesem Jahr um mindestens fünf Prozent schrumpfen. Alle fielen daraufhin über ihn her, vor allem die Regierenden in Berlin, die damals noch von längst nicht so schrecklichen Minuszahlen ausgingen.

Massiver Rückgang: Experten sagen einen Einbruch der Konjunktur von sechs Prozent voraus. (Foto: Foto: dpa)

Acht Wochen später sieht es so aus, als könnte der Depp recht behalten. Denn was damals als Alarmismus eines ökonomischen Schlauschwätzers galt, ist mittlerweile Allgemeingut: Der Internationale Währungsfonds prophezeite der deutschen Wirtschaft am Mittwoch einen Einbruch von 5,6 Prozent, die führenden Wirtschaftsinstitute des Landes erwarten sogar ein Minus von sechs Prozent, und auch die Schätzer der Bundesregierung stehen dem kaum nach; sie gehen intern von minus fünf Prozent aus. Das einstige Wirtschaftswunderland - es ist nun ein Minus-Wunderland.

In Berlin rechnen sie deshalb bereits nach, was die Krise kosten wird. Die Steuereinnahmen brechen weg - klar. Die Ausgaben für das Arbeitslosengeld werden kräftig steigen - ebenfalls klar. Und irgendwann wird der Bund, ebenso wie viele Länder, auch zahlen müssen, weil er die Banken mit gigantischen Garantien ausgestattet hat.

Das allerdings mag noch niemand einräumen. Vorerst gilt die Losung, dass die Rettung der Banken den Steuerzahler bis auf weiteres fast nichts kostet, jedenfalls keine 500 Milliarden Euro. Sind ja nur Garantien. Mit einer derartigen Begründung wirbt der Finanzminister derzeit auch für sein zweites Paket zur Rettung der Banken.

Was zur Wahrheit gehört

Schrottpapiere im Wert von 200 Milliarden Euro sollen in eine staatlich gesicherte Mülldeponie namens Bad Bank wandern. Den Steuerzahler soll das angeblich nichts kosten. Macht sich ja auch besser im Wahlkampf, dass die Lage ein wenig schöner erscheint, als sie ist.

Insofern verwundert es auch nicht, dass der zweite Konjunkturgipfel im Kanzleramt außer Gerede nichts zu bieten hatte. Alle, die geladen waren, die Unternehmer, Banker, Ökonomen und Gewerkschafter, durften ihre Sicht der Lage beschreiben. Danach erklärten Wirtschafts- und Finanzminister, dass die Regierung vorerst nichts weiteres tun werde.

Kein drittes Konjunkturpaket, keine zusätzlichen Milliarden. Man kann das verstehen. Denn sollte die deutsche Konjunktur tatsächlich um sechs Prozent einbrechen, dann sänke die Wirtschaftsleistung um etwa 150 Milliarden Euro. Der Bund müsste seine Ausgaben um mehr als die Hälfte erhöhen, um das auszugleichen. So viel Geld hat der Staat nicht, so viel kann er sich auch nicht leihen.

Zur Wahrheit gehört: Der Staat kann mit seinen Konjunkturpaketen die Rezession allenfalls etwas abmildern; abschaffen kann er sie nicht. Auch dies sollten die Norbert Walters dieser Republik sagen, wenn sie die Deutschen mit ihren düsteren Prognosen verschrecken.

© SZ vom 23.04.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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