Debatte um Staatshilfe:"Es gibt kein Happy End für die Commerzbank"

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Er will sich nicht noch mal von Aktionären als "Merkels Pudel" beschimpfen lassen: Commerzbank-Chef Martin Blessing hält daran fest, die dringend benötigten 5,3 Milliarden Euro ohne Staatshilfe aufzutreiben. Politiker und Finanzexperten glauben ihm nicht - und die Hedgefonds kreisen schon "wie die Geier".

Harald Freiberger, Frankfurt

Der Montag war wieder so ein Tag, an dem Vorstellungen aufeinanderprallten. Immer wenn es um die Commerzbank geht, spaltet sich die Realität derzeit auf in eine Wirklichkeit, wie Vorstandschef Martin Blessing sie sieht, und in eine Wirklichkeit, wie andere sie sehen. So hieß es am Montag aus Berliner Regierungskreisen, man befinde sich in "intensiven Gesprächen" mit der Commerzbank über eine erneute Staatshilfe, noch vor Weihnachten strebe man eine grundsätzliche Einigung an.

Wenn das so stimmt, würde das die Kapitulation Blessings bedeuten. Denn der Bankchef hat sich vor sechs Wochen festgelegt. "Ich gehe da nicht noch einmal hin", sagte er zum Banken-Rettungsfonds Soffin. Die "öffentliche Begleitung", als die Commerzbank vor drei Jahren erstmals Staatshilfe brauchte, sei "wenig motivierend" gewesen. Übersetzt heißt das, dass er sich so etwas nicht nochmal antun will - die Schimpftiraden der Aktionäre auf der Hauptversammlung, das regelmäßige Antanzen und Berichterstatten bei Politikern in Berlin, die Verspottung als "Merkels Pudel".

Doch Blessing kapituliert vorerst nicht, er bleibt bei seiner Sicht der Dinge. Die Bank verwies sofort darauf, dass die "intensiven Gespräche" ein ganz normales Treffen mit dem Anteilseigner Bund gewesen seien, der immer noch 25 Prozent an der Commerzbank hält. In solchen Treffen gehe es zum Beispiel darum, wie sich die Vorgaben der EU nach der ersten Kapitalhilfe des Staates umsetzen lasse, keineswegs aber um eine neue Staatshilfe. "Es wäre doch absurd, vor Weihnachten noch eine Staatshilfe zu beantragen, wenn wir bis 30. Juni Zeit haben, das nötige Kapital zu beschaffen", heißt es. Man verweist auf einen Satz von Blessings Vorstandskollegen Eric Strutz, der nach wie vor gelte: "Wir haben weiterhin nicht vor, zusätzliche öffentliche Mittel in Anspruch zu nehmen."

Erst im Juni zahlte die Commerzbank dem Bund einen großen Teil der ersten Kapitalspritze von 18,2 Milliarden Euro zurück. Doch seitdem verschärfte sich die Lage wegen der europäischen Schuldenkrise immer weiter. Die Commerzbank-Tochter Eurohypo hat besonders viele Anleihen der europäischen Schuldenstaaten in ihren Büchern. Diese mussten im jüngsten Blitz-Stresstest der europäischen Bankenaufsicht Eba auf den gefallenen Marktwert abgeschrieben werden. Dadurch ergab sich für die Commerzbank eine Kapitallücke von 5,3 Milliarden Euro, die sie bis Mitte nächsten Jahres füllen muss.

Die Bank stellt wacker Pläne auf, wie sie das Kapital aus eigener Kraft auftreiben will. 600 Millionen Euro schafft sie gerade, indem sie von Anlegern eigene Schulden zurückkauft. 2,7 Milliarden Euro sollen aus der Verkürzung der eigenen Bilanz kommen. Verkauft sie Wertpapiere und Kredite, die mit Eigenkapital hinterlegt werden müssen, wird Kapital frei. Doch dieser Schritt stößt an Grenzen, weil die Bank nicht unbegrenzt Kredite auflösen kann - zumal sie in ihren Kernmärkten Deutschland und Polen das Geschäft auf keinen Fall zurückfahren will.

"Die zentrale Frage ist, wer den Banken zurzeit überhaupt Kredite abkaufen soll", sagt jemand, der nahe an den Märkten ist. Andere Banken kämen nicht in Frage, weil alle ihre Risiken abbauen wollen. Es gebe fast nur Angebot und kaum Nachfrage. Denkbar wären allenfalls Hedgefonds, "sie kreisen wie Geier über den Banken und warten darauf, dass die Preise noch weiter fallen". Doch je niedriger der Preis, umso weniger lohnt sich ein Verkauf, umso weniger Kapital wird dadurch frei.

Eine Kapitalerhöhung ist so gut wie ausgeschlossen. Der Kurs der Commerzbank liegt gerade noch bei 1,17 Euro, am Dienstag verlor die Aktie wieder vier Prozent. Wollte die Bank neue Aktien ausgeben, müsste sie dafür so viele Papiere auf den Markt bringen, dass der Kurs für Altaktionäre stark verwässert würde. Außerdem ist fraglich, ob sich derzeit überhaupt Investoren finden würden, die bereit sind, Bankenaktien zu kaufen.

Die Rede war auch davon, dass sich die Commerzbank von ihrem Tafelsilber trennen könnte, zum Beispiel von ihren profitablen Töchtern Comdirect und BRE-Bank in Polen. Damit schneidet sich die Bank nach Ansicht von Analysten aber ins eigene Fleisch, weil sie sich um ihre Zukunft bringen würde. Schließlich gibt es Gerüchte, dass die Bank ihre Sorgentochter Eurohypo verkaufen könnte. Die toxischen Wertpapiere in ihren Büchern könnten in eine bundeseigene Bad Bank ausgelagert werden. Für die Commerzbank wäre das der große Befreiungsschlag, doch für die Politik kommt es nicht in Frage: Der Bund will sich nicht noch eine Bad Bank mit unabsehbaren Risiken ins Haus holen.

"Man kann es drehen und wenden, wie man will, es gibt kein Argument, das für ein Happy End spricht", sagt ein Investmentbanker. Am Ende bleibe doch wieder nur die Hilfe des Staates. Das aber hätte für Blessing Folgen. "Er hat sein Schicksal so eng mit der Frage verknüpft, dass er dann eigentlich nur noch zurücktreten kann", sagt ein Analyst.

© SZ vom 14.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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