Debakel um Flughafen Willy Brandt:Bleiben Sie angeschnallt auf Ihren Sitzen

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Auf der Baustelle gab es schon im Februar erhebliche Bedenken beim Brandschutz. Trotzdem will Aufsichtsratsvorsitzender Wowereit nichts von den Problemen gewusst haben. Auch Flughafenchef Rainer Schwarz denkt gar nicht an Rückzug - und man lässt ihn.

Constanze von Bullion, Berlin

Es haben jetzt die Abwehrgefechte begonnen in Berlin, jeder versucht da Kritik von jedem abzuwenden, vor allem natürlich von sich selbst. Am Tag nach der geplatzten Eröffnung des Großflughafens stand am Mittwoch besonders Rainer Schwarz unter Druck. Der Chef der Berliner Flughafengesellschaft war vor den Verkehrsausschuss des Bundestags geladen, um die Ursachen des Flughafendebakels zu erläutern. "Er hat sehr, sehr wenig Substanzielles bekannt gegeben", sagte der Ausschussvorsitzende Anton Hofreiter (Grüne) nach dem Auftritt. Im Ausschuss seien viele verärgert gewesen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Schwarz sich halten kann".

Lange Gesichter aber keine personellen Konsequenzen: Rainer Schwarz, Chef der Berliner Flughafengesellschaft, Klaus Wowereit, Berlins Regierender Bürgermeister und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck geben eine Pressekonferenz. (Foto: dpa)

Der Flughafenchef hingegen denkt gar nicht an Rückzug - und man lässt ihn. Nach einem längere Telefonat mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Flughafengesellschaft, sagte Schwarz am Mittwoch, es habe Fehler bei der Projektsteuerung gegeben und eine Fehleinschätzung der noch zu lösenden Probleme auf der Baustelle. Zurückziehen wolle er sich deshalb nicht. Bis zur Eröffnung stellten sich noch "gigantische Herausforderungen", etwa bei der Abwicklung des verstärkten Flugverkehrs über Tegel und Schönefeld.

Schwarz, unter dessen Regie die Flughafeneröffnung schon zum zweiten Mal verschoben werden musste, soll die Suppe auslöffeln, die er der Region eingebrockt hat - so erklärt die Politik, dass sie an Schwarz festhält. "Es hilft nichts, wenn jetzt ein halbes Jahr nach einem neuen Geschäftsführer gesucht werden muss", sagte Berlins Senatssprecher Richard Meng. Schwarz müsse nun für eine Fertigstellung des Flughafens sorgen.

Durchziehen: auch die Devise bei Ministerpräsident Platzeck

Wowereit erwarte zudem die Nennung eines Eröffnungstermins, der "belastbar" sei. Angeblich soll er am Montag bekannt gegeben werden. Zum anderen fordere Wowereit, so sein Sprecher, "einen detaillierten Bericht, was die Ursachen der unerwarteten Verschiebung waren". Wowereit, der von unlösbaren Problemen nichts gewusst haben will, gibt am Donnerstag eine Regierungserklärung zum Thema Flughafen ab.

Durchziehen, irgendwie, ist auch die Devise bei Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Es helfe nichts, die Mannschaft oder Teile davon auszutauschen, sagte er dem Rundfunk Berlin-Brandenburg. Das konnte man als Versuch verstehen, auch Manfred Körtgen zu retten, den schwer angeschlagenen Bau- und Technikchef des Flughafens.

Seine Zukunft wird auch von dem Pannenbericht abhängen, den er nun zu liefern hat. Körtgen wird vorgeworfen, die Bedenken verantwortlicher Ingenieure nicht ernst genug genommen zu haben und Warnungen nicht nach oben weitergeleitet zu haben. Dass Aufsichtsratschef Wowereit nichts ahnte, mag in Berlin jedoch keiner glauben.

700 Helfer sollten nicht funktionierende Türen von Hand öffnen

Nach Informationen der SZ gab es auf der Baustelle schon im Februar erhebliche Bedenken, und sie wurden laut. Es stellte sich heraus, dass zahlreiche Türen den Brandschutzanforderungen nicht genügten. Die Türen, die von insgesamt elf Herstellern stammen, waren teilweise aus brennbarem Material. Teilweise funktionierte auch die eingebaute Technik nicht, sie öffneten sich nicht automatisch - ein Problem, dass auch bei der zentral gesteuerten Lenkung der Fluggäste auftrat. Hersteller und Baufirmen versprachen Abhilfe, aber sollen reihenweise Termine geschmissen haben.

Als die Flughafengesellschaft dies erkannte, stellte sie im April bei der Bauaufsichtsbehörde den Antrag, einzelne Bereiche mit mangelhaften Brandschutztüren von Hand öffnen zu lassen. Hunderte von Helfer sollten dafür angeheuert werden. Bei der Bauaufsicht heißt es jetzt, so etwas hätte man nie genehmigt.

Vielmehr habe man bis Mitte Mai Zertifikate angefordert, das der Brandschutz gewährleistet ist. Solche Zertifikate aber wurden nie eingereicht. Auf der Baustelle war man beschäftigt, etliche Planänderungen des Architekturbüros Gerkan, Marg und Partner umzusetzen.

Es haperte bei der Entrauchung ganzer Gebäudeteile und am Zusammenspiel des Brandschutzsystems. Dann fielen Leitungen und Strom am Check-in aus. Man habe ein verzweifeltes Wettrennen mit der Zeit aufgenommen und verloren, hieß es. Und dass die Verantwortung nicht bei Ingenieuren und Bauarbeitern abgeladen werden könne.

© SZ vom 10.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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