Datenskandal:Facebook verklagt

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Die US-Bundesbehörde für Verbraucherschutz prüft seit Monaten, ob Facebook die Daten seiner Nutzer missbraucht hat. Jetzt schafft ein Generalstaatsanwalt Fakten - und verklagt das Unternehmen auf lokaler Ebene.

Von Max Muth, Valentin Dornis und Karoline Meta-Beisel, München/Brüssel

Der Generalstaatsanwalt des Bezirks Washington, D.C., verklagt Facebook wegen des fahrlässigen Umgangs mit Nutzerdaten. Er wirft dem Konzern vor, die Daten seiner Nutzer unzureichend vor Missbrauch geschützt zu haben. Das Unternehmen habe Mitglieder der Plattform über die Verwendung ihrer Daten getäuscht und Datenlecks nicht rechtzeitig oder gar nicht offengelegt. Verschärft werde das Problem dadurch, dass die Facebook-Nutzungsbedingungen missverständlich seien. Die Facebook-Aktie hatte am Mittwoch nach Bekanntwerden mehr als sieben Prozent verloren.

Anlass für die Klage sind offenbar die Enthüllungen im Zuge des Cambridge-Analytica-Skandals. Im März 2018 hatte ein ehemaliger Mitarbeiter von Cambridge Analytica enthüllt, dass die britische Politik-Marketing-Agentur Daten von mehr als 70 Millionen Facebooknutzern verwendete, um detaillierte Persönlichkeitsprofile zu erstellen und Nutzer mit zielgerichteter politischer Werbung auf Facebook zu beeinflussen. Die Nutzerdaten stammten von einer Psychotest-App und wurden ohne Wissen der Nutzer an Cambridge Analytica weiterverkauft. In welchem Ausmaß das passierte, zeigt die Klageschrift: Demnach luden zwar nur 852 Nutzer in Washington, D. C., die Psychotest-App herunter. Die App griff allerdings auch auf die Daten der Freunde dieser Nutzer zu. Bei Cambridge Analytica sollen dadurch die Daten von 340 000 Einwohnern gelandet sein.

Die Enthüllungen im Frühjahr 2018 hatten weltweit Empörung ausgelöst. Facebook-Chef Mark Zuckerberg und andere Top-Manager mussten in Folge des Skandals unter anderem dem US-Kongress und dem Europäischen Parlament Rede und Antwort stehen - und versprachen, besser auf die Daten der Nutzer aufzupassen.

Trotzdem wurden in den vergangenen Wochen erneut Fälle bekannt, die zeigen, dass Datenschutz innerhalb des Unternehmens immer noch nicht höchste Priorität genießt. So veröffentlichte die New York Times gerade einen Bericht, wonach Facebook großen Tech-Konzernen wie Spotify, Netflix und Amazon weitreichende Zugriffsrechte auf Nutzerdaten zugestand - und zwar unabhängig von den Privatsphäre-Einstellungen der Nutzer. Auch auf diese Praxis nimmt der Washingtoner Staatsanwalt in seiner Klage Bezug.

Bei einem Bundes-Verfahren könnten Milliardenstrafen auf den Konzern zukommen

Die Klage ist insofern ungewöhnlich, als hier Generalstaatsanwalt - also quasi der Justizminister - des Hauptstadtdistrikts Facebook wegen Verstößen gegen ein lokales Verbraucherschutzgesetz verklagt. Dabei wäre ein bundesweites Vorgehen gegen Facebook vermutlich sinnvoller. Dass die lokale Justiz jetzt Fakten schaffen will, könnte damit zusammenhängen, dass bislang völlig unklar ist, inwieweit Bundesbehörden gegen Facebook vorgehen werden. Die ebenfalls zuständige Aufsichtsbehörde FTC hat zwar bestätigt, das Verhalten Facebooks zu untersuchen, sich aber seit März nicht in die Karten schauen lassen.

Auch in Europa steht Facebook spätestens seit dem Skandal um Cambridge Analytica unter verschärfter Beobachtung, EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gehört zu den lautesten Kritikern des Konzerns. Während sie Konzerne wie Google oder Apple wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht kräftig zur Kasse gebeten hat, baut sie beim Datenschutz nicht nur auf Regulierung, sondern auch darauf, das Angebot durch die Nachfrage zu beeinflussen: "Wir müssen dem Markt und der Gesellschaft auch Gelegenheit geben, selbst Antworten zu finden", sagte sie Anfang des Monats dem Handelsblatt. "Jeder von uns ist klein. Aber weil wir viele sind, können wir immer auch gemeinsam Veränderung herbeiführen." Im Sommer sagte die Dänin, die kein Profil bei dem Netzwerk besitzt, sie würde für Facebook lieber mit Geld als mit ihren Daten zahlen.

Unklar ist, wie teuer das Verfahren in Washington für Facebook werden könnte. In der Klageschrift fordert die Staatsanwaltschaft zwar Schadenersatz für betroffene Nutzer und wirtschaftliche Schäden, nannte aber keine Summe. Die Gesetze, auf die sich die Anklage bezieht, erlauben Strafen von bis zu 10 000 Dollar pro Verstoß. Eine Strafe wäre also auch davon abhängig, in wie vielen Fällen solche Verstöße festgestellt würden. In der Klage ist die Rede von 340 000 Betroffenen in Washington, D.C. Bei einem möglichen Verfahren zum Cambridge-Analytica-Skandal auf Bundesebene, wo auch die Verbraucherschutzbehörde FTC zuständig wäre, halten Experten Milliardenstrafen für denkbar.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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