Das Prinzip Tupperware:Warum Verkaufspartys boomen

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Tupperware will Hunderte Filialen eröffnen, um die Produkte fernab von Wohnzimmern vorzuführen. Denn der Umsatz auf Verkaufspartys steigt, nicht nur mit Haushaltshelfern.

Von Katharina Kutsche und Benedikt Müller, München

Wie Frau die neuen Haushaltshelfer einsetzen kann, demonstriert die Tupperware-Vertreterin selbst: Sie rollt in der Küche der Gastgeberin Blätterteig aus und schneidet mit einem Plastikrad Dreiecke aus. Diese jetzt noch mit Nougat-Creme bestreichen, backen und "schon habt Ihr selbstgemachte Schoko-Croissants", flötet sie. Um das Naschzeug geht es ihr eher weniger. Es geht darum, den Damen im Wohnzimmer zu vermitteln, dass sie Nudelholz und Ausstecher sofort kaufen können - dafür erhält die Vertreterin stolze 22,5 Prozent Provision.

In fast jedem Ort gab es eine Hausfrau, die Nachbarinnen zu Tupper-Partys einlud. (Foto: Tupperware/picture-alliance / gms)

Die US-Firma Tupperware ist bislang darauf angewiesen, dass sich stets genug Gastgeberinnen finden, die potenzielle Kunden einladen. "Derzeit haben wir fast nur Partys", sagt Firmenchef Rick Goings. "Es ist ein Mädelsabend, sie trinken vielleicht ein bisschen Wein, es ist ein soziales Event." Im Internet dagegen macht die Firma nur einen niedrigen einstelligen Teil des Gesamtumsatzes. Am Montag gab die Firma bekannt, in den nächsten Jahren bis zu 500 Studios in Deutschland eröffnen zu wollen. In den Filialen sollen Kunden einkaufen können - und es wird auch Vorführungen geben.

Tupperware wird also sesshaft. Das Prinzip der Verkaufsparty gibt es auch in anderen Branchen. Egal ob Duftkerze, Reizwäsche oder Putzmittel: Der Umsatz im sogenannten Direktvertrieb hat sich in den vergangenen zehn Jahren nahezu verdoppelt, auf zuletzt gut 16 Milliarden Euro im Jahr 2015. "Das Wachstum ist vor allem von Verkaufspartys getrieben", sagt Florian Kraus, Marketing-Professor an der Universität Mannheim. Zur Branche gehören aber auch der klassische Staubsaugervertreter oder der private Getränkelieferant. Mehr als 830 000 Menschen arbeiten hierzulande als selbständige Vertriebspartner.

"Verkaufspartys sind gerade bei komplexen Produkten erfolgreich", sagt Kraus: Die Gäste können zuschauen, anfassen, ausprobieren. "Und in keinem Vertriebsweg ist der Spaßfaktor so groß." Es wird gelacht, statt an der Ladenkasse anzustehen. Über die Produkte tauscht man sich mit echten Freundinnen aus, statt anonyme Erfahrungsberichte im Internet zu lesen.

So kommt es, dass die Gäste einer Verkaufsparty meistens mehr Geld ausgeben als sie sich vorgenommen hatten. "Verbraucher sollten im Hinterkopf haben, dass ein gewisser Gruppendruck entstehen kann, wenn viele Gäste etwas kaufen", sagt Jasina Starke von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. "Und am besten vergleicht man vor der Party die Preise." Denn gerade die Übersicht über verschiedene Hersteller funktioniert an solchen Abenden nicht. Immerhin: Wer seinen Party-Kauf bereut, darf den Vertrag innerhalb von 14 Tagen widerrufen, weil er außerhalb der Geschäftsräume zustande gekommen ist. Und wenn der Verkäufer nicht richtig über dieses Recht aufgeklärt hat, verlängert sich diese Frist um ein Jahr. Auch in der Damenrunde hat das Prinzip Anfassen und Kaufen funktioniert. Die Croissants sind verputzt, als die Beraterin die Bestellzettel herumreicht. Gekauft hat am Ende jede etwas, allerdings nicht den Ausstecher.

© SZ vom 28.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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