Das erste Gehalt:Die Espresso-Maschine und das Glück

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Das erste Gehalt eröffnet neue Möglichkeiten. Doch nicht alles, was gut aussieht, macht auf lange Sicht zufrieden. Denn was bleibt, wenn der Glanz der teuren Stücke verflogen ist?

Von Charlotte Theile, München

Eigentlich war es ein schöner Abend. Der Weißwein kühl, die Nacht warm, ein paar Leute, sinnloses Rumgeplänkel und ein Dessert, das so sahnig war, dass man plötzlich sehr müde wurde. Der Himmel war klar und voller Sterne, außerdem gab es ein paar gepflegte Holzdielen, auf denen man recht gemütlich liegen konnte. Irgendjemand reichte Espresso in perfekt dafür geeigneten Tässchen, dieser schmeckte sensationell.

Spätestens jetzt war klar, dass sich etwas verändert hatte. Gepflegte Holzdielen, das war neu. Auch die Kaffeemaschine, die dunkelrot und metallischglänzend durch die Terrassentür glitzerte. Die cremefarbenen Sofas. Der coole Retro-Kühlschrank, der in Wirklichkeit erst sechs Monate alt war und wohl tausend Euro gekostet haben dürfte. Und dass der lustige Typ mit dem Sechstagebart und den zerrissenen Jeans gerade über die Vorteile sportlicher Automobile sprach, lag daran, dass er ... einen Sportwagen in der Garage stehen hatte. Der ihm gehörte. Aha.

In den Monaten darauf wurden viele teure Kaffeemaschinen gekauft. Nach und nach begannen immer mehr Freunde einer Arbeit nachzugehen, die in einem festen Gehalt ausgedrückt wurde. Und das Erste, wovon sie sich verabschiedeten, war der Espressokocher aus Aluminium, der seit dem ersten Semester auf dem Herd vermoderte.

Psychologe Bas Kast muss über diese Beobachtung lachen. "So eine teure Espressokiste? Die hab' ich mir erst vor einigen Jahren, also relativ spät, gekauft." Andere kaufen sich die Maschine so schnell wie möglich. In einer Studie, die das Marktforschungsinstitut TNS Emnid 2012 für den Versicherer Axa erstellt hat, landet die Wohnungseinrichtung auf Platz fünf - 46 Prozent der Berufseinsteiger geben ihr Geld für Sofa, Kühlschrank und Co. aus. Noch beliebter: Alkohol.

Was bleibt, wenn der Glanz des Autos oder der teuren Uhr verflogen ist?

63 Prozent der männlichen und 52 Prozent der weiblichen Berufseinsteiger investieren in die Abendgestaltung, also Clubs, Drinks und Taxifahrten. Gleich danach ein Klassiker - das eigene Auto. Sowohl Männer (56 Prozent) als auch Frauen (49 Prozent) schauen sich nach dem Berufseinstieg nach einem mobilen Statussymbol um. Für den Psychologen Bas Kast, der sich in verschiedenen Sachbüchern mit dem Verhältnis von Geld und Glück beschäftigt hat, eine gewagte Entscheidung. "Viele Menschen investieren in materielle Dinge - doch das ist ein sehr riskantes Spiel. Ein Gegenstand, zum Beispiel ein teures Auto oder eine teure Uhr, verliert relativ schnell an Glanz. Dann ist die Uhr da, aber der Kick ist weg."

Für einige beginnt ein Teufelskreis: Sie kaufen, weil sie sich davon Glück versprechen, sind einige Zeit zufrieden mit ihrem neuen Gegenstand - und brauchen dann wieder einen neuen, der sie noch kürzere Zeit zufriedenstellt. "Es gibt Materialisten, die durch mehr Geld glücklicher werden", schränkt Kast ein. Doch dieser Zustand beginne spät, "etwa bei 100 000 Euro Jahresgehalt". Ein Niveau, das wenige erreichen.

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Materialisten seien daher tendenziell unglücklicher als Menschen, denen Geld und Statussymbole weniger wichtig sind. Den Ratschlag, es in Sachen Geld locker angehen zu lassen, will Kast trotzdem nicht geben. "Das ist eine Typ-Frage." Einige Menschen hätten Freude an teuren Gegenständen, während andere eher erlebnisorientiert seien. Aus glückstheoretischer Perspektive sei das Erlebnis allerdings vorzuziehen. "Ein Urlaub bleibt lange im Gedächtnis - und wird in der Rückschau sogar noch verklärt", sagt Kast. Dass 60 Prozent der Frauen und 39 Prozent der Männer ihre ersten Gehälter in Reisen stecken, hält Kast für eine gute Idee. Vor allem wenn man den Urlaub mit Freunden, Familie oder Partner verbringt.

Seine Argumentation fußt unter anderem auf der sogenannten SOEP-Studie. Die Langzeituntersuchung des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat die Lebenszufriedenheit von mehr als 20 000 Menschen über Jahrzehnte hinweg beobachtet. Dabei wurden die Probanden nach ihren Lebenszielen gefragt. Das Ergebnis war eindeutig: Wer seine Priorität auf Soziales, wie Freundschaften oder gesellschaftliches Engagement, gelegt hatte, war überdurchschnittlich zufrieden mit seinem Leben. Auch die Priorität Familie versprach positive Glückswerte - jedoch etwas weniger hoch. Wer vor allem Geld und Karriere optimieren wollte, wurde mit den Jahren unzufriedener. Kast spricht sogar von einer "chronischen Unzufriedenheit", zu der "Karrieremenschen" neigen.

"Geld macht tendenziell asozial"

Die 16 bis 29 Jahre alten Befragten der Emnid-Studie haben, was den Berufseinstieg angeht, vieles, auf das sie sich freuen: die Chance, sich selbst zu verwirklichen (86 Prozent); den Beginn eines neuen, spannenden Lebensabschnitts (89 Prozent); die "Planungssicherheit für das eigene Leben" (84 Prozent). An erster Stelle aber steht die finanzielle Unabhängigkeit: 93 Prozent fiebern dem ersten Gehalt entgegen.

Kast, der seine ersten Gehälter in ein Around-the-World-Ticket investiert hat, kann diese Euphorie verstehen. Aus wissenschaftlicher Sicht sei finanzielle Unabhängigkeit aber ambivalent: "Geld macht tendenziell asozial. Wer in einem Experiment viel Geld zugesteckt bekommen hat, wird danach weniger hilfsbereit - und es fällt ihm auch schwerer, andere Menschen an sich heranzulassen." Der Impuls, sich von anderen unabhängig zu machen, steigt mit dem ersten Gehalt. Viele ziehen von zu Hause oder aus der Studenten-WG aus, 22 Prozent der Berufseinsteiger investieren sogar direkt in ein Eigenheim. Kast, der seine Bücher zu Hause schreibt und Ruhe braucht, hat das genauso gemacht. Dennoch sagt er: "Viele unterschätzen, wie einsam das Berufsleben sein kann. Den nervigen Mitbewohner vermisst wohl keiner - aber dass irgendetwas fehlt, spüren viele."

Geld verändert den Menschen - selten zum Besseren

Noch dramatischer sei eine andere Entscheidung, die viele Berufseinsteiger treffen würden: "Um sich ein größeres Haus, ein drittes Badezimmer und so weiter leisten zu können, zieht es viele aufs Land." Was sie dabei vergessen? Dass der Weg zur Arbeit länger wird. "Es gibt fast nichts, das Menschen so unglücklich macht wie Pendeln", sagt Kast, das wiege das zusätzliche Badezimmer nicht auf. Sein wichtigster Ratschlag an alle, die auf einmal mehr Geld zur Verfügung haben, ist daher: sich nicht blenden lassen. Überlegen, woran man wirklich Freude hat und was nur auf den ersten Blick toll aussieht. Sich selbst treu bleiben. "Nicht umsonst sagen wir über Menschen, die plötzlich reich geworden sind: Der ist aber ganz normal geblieben. Wir wissen genau, dass Geld Menschen verändert. Und zwar selten zum Besseren."

Die 500 Befragten der Berufseinsteiger-Studie scheinen auf dem Teppich bleiben zu wollen. An erster Stelle steht bei ihnen mit großem Abstand: sparen. 74 Prozent wollen erst mal etwas zurücklegen.

Gegen die Espressomaschine spricht, zumindest aus glückstheoretischer Sicht, ebenfalls wenig: Man kann sich bei jedem Frühstück darüber freuen. Wer dann noch ein paar Freunde einlädt, sie mit Kaffee und dem Ausblick auf den Designer-Kühlschrank unterhält, hat, vermutlich, alles richtig gemacht.

© SZ vom 15.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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