Daimler:Von Anstand und Profit

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Die Welt verfolgt mit Grusel und vor allem mit Spott, wie der Konzern vor Peking zu Kreuze kriecht wegen eines Posts mit dem Dalai Lama.

Von Kai Strittmatter

All jenen, denen nach den Ereignissen dieser Woche die Weisheiten des Dalai Lama zu gefährlich sind und die es wie Daimler "unverzüglichst" nach Unterweisung "in der chinesischen Kultur und ihren Wertvorstellungen" verlangt, sei Konfuzius ans Herz gelegt: "Der Mensch ist von Natur aus gut", sagte der einmal. "Es sind die Geschäfte, die ihn schlecht machen." Dalai Lama hielt nicht viel von Geschäftsleuten. Er unterstellte ihnen, nicht zu taugen für das Streben nach Moral und Sittlichkeit, anders als Daimler-Chef Dieter Zetsche, der für seine Firma einmal feststellte: "Anständige Geschäfte sind unser ureigenes Interesse." Das ist allerdings auch schon fünf Jahre her.

Wenn die Social-Media-Plattformen ein Indikator sind, dann verfolgt die Welt seit Tagen mit einer Mischung aus Unglauben, Grusel und Spott, wie Daimler bei Peking zu Kreuze kriecht. Und das alles wegen eines ziemlich belanglosen Dalai-Lama-Zitats, das am Montag auf seinem Instagram-Kanal gelandet war. Nach Protesten aus Peking hatte Daimler den Beitrag zurückgezogen. Bill Bishop, Autor des China-Newsletters Sinocism, schlug am Donnerstag den Hashtag "Mercedes-Bends" vor: Mercedes knickt ein. Tatsächlich bringt jeder Tag eine neue Volte, in Stuttgart müssen sie sich ein wenig fühlen wie jene Delinquenten, an denen Chinas Herrscher einst die "Marter der tausend Schnitte" vollzogen: Jedem schmerzvollen Schnitt folgt ein weiterer.

Der einzige Ort, an dem man das Schauspiel auch mit Genugtuung zu verfolgen scheint, ist Peking. Das Außenministerium dort nahm die erste Entschuldigung des Konzerns vom Dienstag - die sich las wie aus dem Handbuch der maoistischen Selbstkasteiung - wohlwollend zur Kenntnis, und befand am Mittwoch mit einer Mischung aus Herablassung und Gönnerhaftigkeit: "Seine Fehler wiedergutzumachen ist die grundlegende Basis für gutes Benehmen und Geschäftsgebaren." Damit es den Herren bei Daimler nicht zu schnell zu wohl wurde, schoss das Parteiblatt Volkszeitung noch eine wütende Tirade ab, wonach sich Daimler "zum Feind des chinesischen Volkes" gemacht habe. Den Dalai Lama mag man anderswo schätzen, Chinas Kommunisten nennen ihn schon mal einen "Wolf in Mönchskutte" oder "einen Teufel mit dem Antlitz eines Menschen". Dalai Lama selbst sagt, er setze sich nur ein für die - von China zugesagte - Autonomie Tibets, die KP aber schimpft das religiöse Oberhaupt der Tibeter einen Separatisten.

Kein Wunder also, dass Pekings Parteipresse am Donnerstag triumphierend die ultimative Trophäe präsentierte: den Bußgang der Chefs persönlich. Xinhua zitiert Daimler-Chef Zetsche und China-chef Hubertus Troika, die in einem Brief an Chinas Botschafter in Berlin um Vergebung bitten "für die Schmerzen und den Kummer", den ihr "fahrlässiger und taktloser Fehler dem chinesischen Volk" verursacht habe. Daimler habe nie die Absicht verfolgt, "Chinas Souveränität und territoriale Integrität in Frage zu stellen" oder "zu unterwandern". Moment mal. Souveränität? Territoriale Integrität? Unterwandern? Zur Erinnerung: Auslöser war das Zitat eines Friedensnobelpreisträgers auf einem Social-Media-Kanal, der in China von der Zensur blockiert ist, und das einen am Strand stehenden weißen Mercedes schlicht so bewarb: "Schau dir eine Situation von allen Blickwinkeln aus an, und du wirst offener werden."

Zum Abschluss noch einmal Konfuzius, in Instagram-Länge: "Der Edle versteht sich auf das, was recht ist; der Gemeine versteht sich auf den Profit."

© SZ vom 09.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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