Daimler AG:Es wird nicht besser

Lesezeit: 3 min

Trügerisches Funkeln: Vom Glanz des Mercedes-Sternes lässt sich derzeit nicht auf den Geschäftsverlauf schließen. (Foto: Sarah Silbiger/AFP)

Die Krise beim Autobauer verschärft sich: Der Gewinn bricht um die Hälfte ein, zusätzlich muss der Konzern wegen der Dieselaffäre weitere Kosten in Milliardenhöhe verkraften.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Der neue Daimler-Boss muss sich fühlen wie im Märchen vom Hasen und vom Igel. So sehr Ola Källenius auch auf die Kostenbremse drückt, es nützt alles nichts. Er wird trotzdem immer wieder von der Dieselaffäre eingeholt, die er zum Teil von seinem Vorgänger Dieter Zetsche geerbt hat und zum Teil auch als ehemaliger Entwicklungschef mitverantworten muss und auch sonst tut sich der Autobauer schwer. Am Mittwoch veröffentlichte Källenius bereits die dritte Warnung vor einem Gewinnrückgang in seiner erst achtmonatigen Amtszeit: Der operative Gewinn ist im Jahr 2019 um die Hälfte auf 5,6 Milliarden Euro eingebrochen. Noch nicht eingerechnet sind dabei die Kosten in Höhe zwischen 1,1 und 1,5 Milliarden Euro, die für die Aufarbeitung der umstrittenen Abgasreinigung von Dieselautos anfallen. Kurzum: Die Krise beim Konzern mit dem Stern verschärft sich, weil sich die Dieselaffäre zum Fass ohne Boden entwickelt. Zuletzt hatte das Unternehmen bereits Rückstellungen in Höhe von drei Milliarden Euro gebildet, um die Risiken von Rechtsstreitigkeiten in aller Welt wegen der Dieselaffäre abzusichern. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) erachtet die Abgasreinigung von verschiedenen Mercedes-Dieselmotoren als unzulässig und hat den Rückruf von mehr als einer Million Fahrzeuge angeordnet. Daimler setzt diese Bescheide um, beteuert aber seine Unschuld und hat gegen alle Rückrufe Rechtsmittel eingelegt.

Und jetzt verkündet Daimler, dass zu den bereits eingestellten drei Milliarden bis zu 1,5 weitere Milliarden Aufwand hinzukommen. Wie genau sich diese Zusatzkosten den operativen Gewinn (Ebit) von 2019 auswirken wird, gab das Unternehmen am Mittwoch nicht bekannt. "Diese Summe kann theoretisch zu 100 Prozent Ebit-wirksam werden, muss aber nicht", sagte ein Sprecher auf Anfrage. Wenn Daimler im Februar die endgültigen Zahlen für 2019 bekannt gibt, könnte das Ebit also sogar unter fünf Millionen fallen.

Immerhin bezifferte Daimler am Mittwoch erstmals den erwarteten Gewinn für das vergangene Geschäftsjahr: 5,6 Milliarden Euro soll dieser nach vorläufigen Zahlen betragen. Das ist die Hälfte des Vorjahresgewinns und gut eine Milliarde Euro weniger, als die zuletzt ohnehin schon unzufriedenen Analysten erwartet hatten. "Das Unternehmen ist in einer ganz dicken Krise", sagt Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Der Aktienkurs sackte um 2,1 Prozent ab.

Konzernchef Källenius muss sich seit seinem Amtsantritt im Mai mit mehreren Problemen gleichzeitig herumschlagen: Einerseits verschlingt der Umstieg in die Produktion von Elektroautos und die Entwicklung von autonomen Wagen sehr viel Geld. Zudem schwächelt die Nachfrage in vielen Ländern - zumal in Europa - und mehrere Produktionsstandorte hatten Lieferschwierigkeiten. Källenius startete deshalb ein Sparprogramm, mit dem er bis Ende 2022 mehr als 10 000 Stellen streichen und etwa 1,4 Milliarden Euro einsparen will.

"Sogar Opel schlägt Mercedes - ein Unding", sagt Analyst Jürgen Pieper

Bislang haben diese Maßnahmen die Geschäftszahlen aber kaum verbessert. Die Sparte Mercedes-Pkw steigerte 2019 zwar ihre Absatzzahlen leicht und verteidigte damit weltweit ihren Spitzenplatz, aber die Umsatzrendite brach von fast acht auf vier Prozent ein. "Sogar Opel schlägt Mercedes - ein Unding", sagt Analyst Pieper. Er bemängelt, Daimler komme mit Wachstum und Einsparungen zu langsam voran.

Womöglich haben die Milliarden-Zusatzkosten mit der steigenden Zahl an Schadensersatzklagen gegen Daimler zu tun. Sowohl Käufer von Diesel-Autos als auch Aktionäre ziehen gegen den Konzern vor Gericht. Zuletzt hatte der Tübinger Anwalt Andreas Tilp beim Landgericht Stuttgart eine Klage von 219 Anlegern eingereicht. Tilp vertritt Banken, Kapitalverwaltungsgesellschaften, Versicherungen und Pensionsfonds aus dem In- und Ausland; er wirft Daimler vor, seine kapitalmarktrechtlichen Pflichten verletzt zu haben. Er fordert 900 Millionen Euro Schadenersatz. Daimler weist den Vorwurf zurück und will sich mit allen rechtlichen Mitteln wehren. Auch in anderen Ländern laufen noch Ermittlungen wegen Verdachts auf Abgasmanipulation.

Nach Information der Nachrichten-Agentur Bloomberg traf Ola Källenius am Mittwoch in Peking den Chef des dortigen Partner-Unternehmens BAIC, Xu Heyi. Beide sollen auch über ein geplantes Aufstocken der BAIC-Beteiligung an Daimler gesprochen haben. Angeblich will BAIC seine Anteile von fünf auf 9,9 Prozent erhöhen und damit größter Aktionär werden. Das wäre für Källenius in seinem Hase-und Igel-Rennen zumindest ein kleines Erfolgserlebnis: Angesichts des schwachen Börsenkurses hilft jeder vertraute Ankeraktionär gegen feindliche Übernahmen. Zudem könnte Daimler im Gegenzug seine Anteile am gemeinsamen Joint Venture-Unternehmen im wichtigen Markt China auf über 50 Prozent anheben.

© SZ vom 23.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: