Daimler AG:Das reicht nicht

Lesezeit: 3 min

Ola Källenius, Daimler-Chef, gibt angesichts der Zahlen zu: „Das sind nicht die Ergebnisse, die wir für die Zukunft sehen wollen.“ (Foto: Alex Kraus/Bloomberg)

Kleiner Gewinn, kleine Dividende, kleine Boni. Der neue Konzern-Chef Ola Källenius ist nach dem Krisenjahr 2019 unzufrieden, muss Jobs abbauen - und ist offen für Kooperationen mit anderen Autoherstellern.

Von Max Hägler und Stefan Mayr, Stuttgart

Es ist sein erstes Mal und er macht es ganz allein. Auf offener Bühne, ohne seine Vorstandskollegen, steht Ola Källenius und präsentiert an diesem Dienstag in einer Halle neben der Mercedes-Benz-Arena die Jahreszahlen des Daimler-Konzerns. Eigentlich sind diese derart miserabel, dass man als Manager hinter einem Pult Schutz suchen sollte, angesichts der erwartbar kritischen Fragen.

Aber Källenius, der Schwede, dem man bislang nachgesagt hat, dass er ein steifes Auftreten habe, hat den offensiven Umgang gewählt. "Das sind nicht die Ergebnisse, die wir für die Zukunft sehen wollen", sagt der 50-Jährige. "Das reicht nicht." Immer wieder. Stolz ist hier beim ältesten Autobauer der Welt gerade nicht zu spüren.

Im vergangenen Mai ist Källenius seinem Vorgänger Dieter Zetsche als Chef des Stuttgarter Autoherstellers nachgefolgt, er trägt für die Zahlen also nur teilweise Verantwortung, die sich in seiner kurzen Amtszeit rasant verschlechterten. Dreimal musste Källenius vor zurückgehenden Gewinnen warnen. Und nun muss er am Dienstag einen massiven Einbruch beim Ergebnis verkünden: Nimmt man die Kleinbusse und die normalen Autos, liegt die Umsatzrendite bei quasi Null. Berücksichtigt man alle Sparten, also auch die Finanzgeschäfte und die Lastwagen und Busse, sind es auch nur 2,5 Prozent - im Vergleich zu 6,6 Prozent im Vorjahr. Unterm Strich sank der Gewinn in absoluten Zahlen von 7,6 auf 2,7 Milliarden Euro, bei 173 Milliarden Euro Umsatz und 2,39 Millionen verkauften Fahrzeugen.

Überall wird gespart: Die Boni gehen runter, die Dividende auch. Dazu fallen Tausende Jobs weg

Ein Analyst fragt: "Ihr habt den größten Absatz und die höchsten Preise, aber die mit Abstand niedrigste Marge, während alle anderen Hersteller im Premium-Segment Geld drucken. Was ist da los?" Nun ist das mit dem Gelddrucken übertrieben, auch BMW und Audi mühen sich sehr.

Aber es geht ihnen doch besser. Ola Källenius bleibt insofern gar nichts anderes übrig, als einzugestehen: "Ja, wir haben ein Kostenproblem." Er schickt sogleich hinterher: Das Management habe das Problem erkannt und eingegriffen, erste Ergebnisse seien spürbar. Zudem sei das Ergebnis erheblich von "Sondereinflüssen" belastet worden: teure Investitionen in neue Technologien, die anlaufende Produktion von Elektroautos, defekte Airbags, Probleme in Fabriken und Aufräumarbeiten bei der Dieselaffäre. Aber selbst wenn man derlei herausrechnet: "Das reicht nicht!", betont der Schwede abermals. So bekommen fast alle, die mit Daimler zu tun haben, nun "Maßnahmen" zu spüren: Die Rendite soll nur noch 90 Cent betragen (statt 3,25 Euro), die Boni für die Tarifmitarbeiter sind nur noch dreistellig. Es werde außerdem eine fünfstellige Zahl von Jobs abgebaut, etliche hundert auch im Management; derzeit arbeiten bei Daimler 300 000 Menschen. Im Jahr 2020, glaubt Källenius, werde das operative Ergebnis so wieder "deutlich" steigen.

"Wir haben einen Sack voll Arbeit in den nächsten drei Jahren", kündigt Källenius an. Es gelte, die Transformation hin zu elektrischen und digital-vernetzten Auto zu managen. Und "ganz, ganz, ganz wichtig" sei der Wandel hin zur CO₂-freien Mobilität, bis 2039 soll das geschafft sein. In diesem Jahr will Daimler etwa jedes zehnte Auto mit irgendeiner Form von elektrischem Antrieb verkaufen, ob Hybridwagen oder reine Elektroautos, derer es aber bislang kaum welche gibt. Große Ziele, deren Verwirklichung aber nicht sicher ist, wie Källenius zugibt: "Das Marktgeschehen kannst du nicht hundertprozentig kontrollieren." Das ist eine elegante Umschreibung für die Tatsache, dass die meistverkauften Daimler-Autos immer noch jene großen SUV-Geländewagen sind, die gut für die Marge sind, aber auch schlecht für den CO₂-Flottenausstoß. Dieser muss in den kommenden Jahren in Europa deutlich sinken. Reißt Daimler die bald gültigen, recht scharfen Grenzwerte und muss dafür Strafen zahlen, vielleicht in Milliardenhöhe - oder kann er sie einhalten? "Es ist möglich", sagt Källenius, "aber ich kann es nicht garantieren".

Vieles ist also ungewiss. Überhaupt werde der Konzern in zehn Jahren "ganz anders" aussehen als heute, betont der Manager. Die Frage dabei ist, ob all die Maßnahmen des Managements ausreichen werden, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern. Oder ob Källenius und seine Kollegen darüber nachdenken müssen, ob selbst der große Daimler vielleicht zu klein ist, um die beginnende Transformation zu bewältigen.

Es ist gleiche Frage, die BMW gestellt wird, dem ähnlich großen, ähnlich bewerteten Autobauer. Also: Muss Daimler mit seinen Geschäftspartnern BMW, Renault/Nissan oder Geely, dem chinesischen Autobauer und Daimler-Großaktionär, nicht noch enger zusammenarbeiten? Er sei offen, "open minded", für Kooperationen, sagt Källenius. Mit allen dreien arbeite man bereits an "guten Projekten". So baut man mit Geely den Smart, mit Renault einen Kastenwagen namens Citan und mit BMW kaufe man ja schon seit mehr als zehn Jahren gemeinsam Teile ein. Und wie steht es um ein noch engeres Miteinander? Källenius wiegelt diese Frage nicht völlig ab, er sagt: "Über Diskussionen, die noch nicht zu einem Ergebnis geführt haben, will ich hier noch nicht sprechen." Noch nicht? Das lässt Raum für Interpretationen.

Nicht zuletzt wenn man sieht, wie sehr selbst der größte Autohersteller der Welt, Volkswagen, mit etwa fünf Mal so viel verkauften Fahrzeugen, auf Kooperationen setzt: Ford, Microsoft, Amazon - das sind nur ein paar Partner der Wolfsburger. Sie wollen so die Elektrifizierung bewältigen, aber auch die Digitalisierung. Zum Vergleich: Daimler will nun ein eigenes Auto-Betriebssystem entwickeln. Millionen Code-Zeilen, weit komplexer als ein Smartphone. Das will der schwäbische Autohersteller ernsthaft ganz alleine stemmen?

Bei der Frage nach den Kooperationen fängt der weinrote SUV links auf der Bühne plötzlich an zu blinken. Es ist ein Warnblinken.

© SZ vom 12.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: