Steuerraub:Saftige Rechnung für den Cum-Ex-Skandal

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Die Filiale der Crédit Agricole Frankfurt: Eine Tochter der französichen Bank soll für Cum-Ex-Geschäfte haften. (Foto: imago stock&people)
  • Bayerische Finanzbehörden fordern 312 Millionen Euro von einer Tochter der französischen Bank Crédit Agricole.
  • Sie soll anderen Banken und Börsenhändlern bei Cum-Ex-Geschäften geholfen haben. Die Crédit Agricole kündigte an, gerichtlich gegen die Forderung vorzugehen.
  • In einem solchen Gerichtsverfahren könnte grundsätzlich geklärt werden, wer für die Steuertricks haften muss.

Von Klaus Ott und Jan Willmroth, Frankfurt, Frankfurt/München

Die Rechnung ist noch nicht da, aber sie soll bald kommen. Und es wird eine der bislang höchsten Forderungen sein, die deutsche Finanzbehörden wegen des wohl größten Steuerskandals im Lande geltend machen wollen. 312 Millionen Euro, so viel will der bayerischen Fiskus von einer Tochtergesellschaft der französischen Großbank Crédit Agricole eintreiben. Das hat die Crédit Agricole, die zu den führenden Geldinstituten in Europa zählt, jetzt selbst bekannt gegeben. Und hinzugefügt, dass die Tochter Caceis, die das betrifft, den Vorwürfen widerspreche. Dass Caceis nicht zahlen wolle. So die Mitteilung des Crédit Agricole.

Es dürfte also zu einem Prozess kommen, vermutlich beim Finanzgericht München. Zu einem Verfahren, bei dem dann ganz grundsätzlich geklärt wird, wer alles haften muss für fragwürdige Börsendeals. Für Geschäfte, bei denen in großen Stil Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende gehandelt wurden. Mit dem einzigen Ziel und Zweck, sich eine auf die Dividendenerlöse fällige und an den Fiskus abgeführte Kapitalertragsteuer von den trickreich getäuschten Finanzbehörden gleich mehrmals erstatten zu lassen. So die Erkenntnisse von Staatsanwälten und Steuerfahndern. Der Schaden für die Staatskasse wird aber mehr als zehn Milliarden Euro geschätzt.

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Die Crédit-Agricole-Tochter Caceis soll solche Aktiendeals nicht selbst betrieben haben. Das Tochterinstitut soll aber anderen Banken sowie Börsenhändlern oder Kapitalanlagefonds dabei behilflich gewesen sein, den Fiskus zu täuschen. Caceis wird verdächtigt, als Dienstleister von diesen Börsendeals profitiert haben. Mehrere Kronzeugen belasten Caceis schwer. Die Crédit-Agricole-Tochter soll als sogenannte Depotbank, die Aktien verwahrt und verleiht und dafür Gebühren kassiert, von alledem gewusst und eine wichtige Rolle gespielt haben. Caceis bestreitet das.

312 Millionen Euro, das ist eine saftige Rechnung. Eine Rechnung, die zeigt, dass die Behörden bei dem Cum-Ex-Steuerraubzug nach jahrelangen Ermittlungen jetzt rigoros durchgreifen. Eine erste Anklage gegen frühere Aktienhändler der Hypo-Vereinsbank und deren mutmaßliche Kompagnons liegt vor. Weitere Anklagen sind geplant. Staatsanwälte in Frankfurt, Köln und anderswo wollen die Drahtzieher solcher Geschäfte für viele Jahre ins Gefängnis bringen. Nun kommen die vielen Depotbanken dran, ohne die das alles vermutlich nicht möglich gewesen wäre. Um den Fiskus auszunehmen, so die Erkenntnisse der Behörden, mussten Aktien in enormen Umfang gehandelt werden. Es brauchte riesige Aktienpakete. Und dazu brauchte es auch Depotbanken. Spielte Caceis da mit?

Die auch in München ansässige Crédit-Agricole-Tochter, die große Vermögen verwaltet und große Geschäfte betreibt, sieht keine Grundlage für Steuerforderungen. Der bayerische Fiskus, der verdächtige Cum-Ex-Geschäfte eines Münchner Kapitalanlagefonds untersucht, sieht das ganz anders. Diesem Fonds und dessen Partnern, darunter die Münchner Filiale einer australischen Bank, soll Caceis zu Diensten gewesen sein.

Bei den Ermittlungsbehörden in Bayern und Nordrhein-Westfalen, die miteinander kooperieren, haben mehrere Bankmanager und Börsenhändler ausgepackt. Einer dieser Kronzeugen sagte aus, Caceis habe gewusst, dass die Profite des Münchner Kapitalanlagefonds auf der mehrmaligen Erstattung einer nur einmal an den Fiskus abgeführten Kapitalertragsteuer auf Dividendenerlöse beruhe.

Die Bank sagt, sie habe von den Geschäften nicht profitiert

Ein weiterer Kronzeuge berichtete, wie sehr Caceis in Cum-Ex-Geschäfte verstrickt gewesen sein. Ein Mitarbeiter von Caceis habe die "Hauptrolle" bei Gesprächen übernommen, die den Münchner Kapitalanlagefonds betroffen hätten. Dieser Kronzeuge gab seine Vorwürfe gegen Caceis zuerst bei den Behörden in Nordrhein-Westfalen und dann auch in Bayern zu Protokoll. Hier sagte er am 2. August 2017 beim Finanzamt München, Abteilung I, Steuerfahndung aus; fast acht Stunden lang, von 9.25 bis 17.15 Uhr.

Der Kronzeuge gab an, Caceis habe nicht nur eine passive Rolle gespielt. Die Crédit-Agricole-Tochter sei so wichtig gewesen, dass man sie "umfassend" in die Gespräche habe einbinden müssen. Caceis widerspricht. Man habe von den Steuererstattungen, die zu Gunsten von Kunden der Bank vorgenommen worden seien, nicht profitiert. Bleibt Caceis dabei, nicht zu zahlen, geht die Sache vor Gericht.

Entscheidet die Justiz für den Fiskus und gegen die Crédit-Agricole-Tochter, dann sind jede Menge Depotbanken aus dem In- und Ausland wegen Cum-Ex dran. Das wäre ganz im Sinne des Hessischen Finanzgerichtes. Das hat bereits vor knapp zwei Jahren in einem kleineren Fall als dem jetzigen die Finanzbehörden aufgefordert, gegen die Depotbanken vorzugehen.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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