Cum-Ex-Prozess:Hamburger Privatbank knickt ein

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Die Bank Warburg will nun doch die Gewinne aus Cum-Ex-Geschäften an den Fiskus zurückzahlen. Das ist eine regelrechte Kehrtwende - und hat Signalwirkung für andere Banken.

Von Klaus Ott und Nils Wischmeyer, Bonn, München

Bei Deutschlands größtem Steuerskandal zeichnet sich eine Kehrtwende ab: Die Finanzbranche zahlt in großem Stil Geld an den Fiskus zurück, das aus der Staatskasse abgegriffen worden ist. Die in Hamburg ansässige Privatbank Warburg erklärte am Mittwoch im Cum-Ex-Strafprozess vor dem Landgericht Bonn, man rede bereits seit Längerem mit dem Fiskus, um alle mit den betreffenden Geschäften erzielten Gewinne "unverzüglich an den Fiskus" zu erstatten.

Das hat Signalwirkung weit über diese eine Bank hinaus, heißt es aus der Finanzbranche. Denn es sind völlig neue Töne vom hanseatischen Geldadel, zu dem Warburg gerechnet wird. Vor Prozessbeginn hatte das traditionsreiche hanseatische Privatinstitut noch wiederholt erklärt, es gebe keine Grundlage für Forderungen des Fiskus an Warburg. Die Ermittlungen hätten "nicht einen einzigen Fall zutage gefördert, der die (voreilig erhobenen) Vorwürfe auch nur ansatzweise stützen könnte". Man sei sich sicher, so die Privatbank damals, dass die Behörden und die Justiz dieser Rechtsauffassung "folgen werden".

Diese Einschätzung stellte sich nun jedoch als falsch heraus. In dem Bonner Prozess gegen zwei britische Aktienhändler und Ex-Manager der Hypo-Vereinsbank (HVB) ist auch Warburg schwer belastet worden. Kronzeugen berichteten von Börsengeschäften zu Lasten des Fiskus, in die auch die Privatbank verstrickt gewesen sei. Beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende haben Banken, Börsenhändler und andere Beteiligte nach Erkenntnissen der Behörden viele Jahre lang tief in die Staatskasse gegriffen.

Sie ließen sich Steuern, die auf die Dividenden fällig gewesen waren, vom trickreich getäuschten Staat mehrmals erstatten. Nach Schätzungen von Steuerfahndern beträgt der Schaden mehr als zehn Milliarden Euro. Das Bonner Landgericht erklärte vergangene Woche erstmals, dass man diese Geschäfte als kriminell betrachte.

Warburg-Anwalt Christian Jehke sagte dann am Mittwoch vor Gericht, dass die Beteiligten bei Warburg nie beabsichtigt hätten, "steuerrechtswidrige Aktiengeschäfte zu betreiben oder sie zu fördern" oder falsche Angaben gegenüber den Finanzbehörden zu machen. Dennoch signalisierte er im Namen der Privatbank nun Zahlungsbereitschaft. Warburg redet offenbar schon seit Monaten mit den Finanzbehörden. Als Reaktion auf die deutliche Ansage des Gerichts in der vergangenen Woche hat Warburg nach eigenen Angaben die Gespräche aber weiter intensiviert. Die Privatbank erklärte, dass viele andere Akteure an den Cum-Ex-Geschäften verdient hätten. Auch bei diesen sei es geboten, dass sie ihre Gewinne zurückzahlten. Am Einigungswillen der Warburg würde es dabei nicht scheitern, so die Vertreter der Privatbank.

Der Vorsitzende Richter empfahl, Gewinne aus den Geschäften lieber früher zurückzuzahlen

Warburg ist eines von fünf Finanzinstituten, die in Bonn als Nebenbeteiligte geladen sind. Diese müssen damit rechnen, dass das Gericht Gewinne aus den verhandelten Fällen bei ihnen abschöpft. Der Vorsitzende Richter Roland Zickler hatte in der vergangenen Woche deutlich gemacht, dass er das für durchaus möglich hält. Ungewöhnlich deutlich empfahl er den Geldinstituten sogar, Gewinne aus den Geschäften lieber früher als später zurückzuzahlen. Denn später, so sagte er, würden womöglich noch Zinsen anfallen. Zudem könnten die Banken mit einer Rückzahlung an ihrer eigenen Reputation arbeiten. Die erste Bank, die ihren Frieden mit dem Fiskus gemacht und einen höheren Millionenbetrag zurückerstattet hat, war schon vor Jahren die Hypo-Vereinsbank gewesen. Auch einige andere Finanzinstitute haben, zumindest vorläufig, gezahlt. Beim Großteil der Branche steht das aber noch aus.

Die Wirtschaftsprüfgesellschaft Deloitte war vor Jahren bei einer Untersuchung im Auftrag der Bankenaufsicht Bafin zu dem Zwischenergebnis gekommen, Warburg müsse im ungünstigsten Fall mit Rückforderungen, inklusive Zinsen, in Höhe von 190,6 Millionen Euro für die Jahre 2007 bis 2011 rechnen.

Die Hamburger Privatbank hatte bislang heftigst jegliche Verstrickung in Cum-Ex bestritten und Forderungen des Fiskus vehement abgelehnt. Nach der Kehrtwende von Warburg dürften nun andere Finanzinstitute folgen. Die meisten der nach Erkenntnissen der Behörden in den Cum-Ex-Skandal verstrickten Banken haben sich bislang nicht mit dem Fiskus geeinigt, obwohl seit Langem Gespräche laufen. Große Teile der Finanzbranche wollten offenbar abwarten, wie die Justiz diese Geschäfte bewertet. Bevor das Bonner Landgericht diese als kriminell einstufte, hatten Kronzeugen in dem Prozess von einer regelrechten Cum-Ex-Industrie berichtet. Diese sei nur darauf aus gewesen, in die Staatskasse zu langen. Das gilt vor allem auch für zahlreiche Großbanken aus der halben Welt, von Frankfurt über London und New York bis nach Sydney.

© SZ vom 12.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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