Cum-Ex:Die Absage des Zeugen

2019 hatte Darren T. noch im Cum-Ex-Prozess ausgesagt. Jetzt will er nicht kommen. Das könnte mit einer millionenschweren Klage zu tun haben.

Von Klaus Ott und Nils Wischmeyer

Wer Darren T. beobachtet, der könnte ihn auch für einen britischen Aristokraten halten. Mit durchgedrücktem Rücken lief er vor zwei Jahren durch die hohen Hallen des Landgerichts Bonn, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, die Sprache geschliffen. Als Zeuge war er damals geladen im ersten Cum-Ex-Prozess gegen zwei ehemalige britische Aktienhändler, flog extra aus Dubai nach Deutschland und packte zwei Tage lang aus.

Der Mann erzählte von den Geschäften, mit denen Aktienhändler, Finanzinstitute, Berater und Anwälte den deutschen Staat jahrelang ausnahmen: Cum-Ex. Gekannt hat er die Geschäfte nur zu gut, gehörte er doch zum innersten Zirkel derer, die einige der Deals einfädelten. Weil er relativ früh bei der Staatsanwaltschaft auspackte, gilt Darren T. heute neben einigen anderen Akteure als einer der Kronzeugen.

Auch im zweiten Prozess vor dem Landgericht Bonn sollte er deswegen nach Deutschland einfliegen und erzählen, was er über die steuerschädlichen Aktiendeals weiß, die den deutschen Staat laut Schätzungen von Steuerfahndern wohl mehr als zehn Milliarden Euro gekostet haben. Angeklagt ist in Bonn aktuell der ehemalige Generalbevollmächtigte der Privatbank M.M. Warburg. Dem Mann, der als rechte Hand der Bankeigentümer gilt, wirft die Staatsanwaltschaft besonders schwere Steuerhinterziehung in 13 Fällen vor, den Schaden beziffert sie auf 325 Millionen Euro. Der Ex-Banker bestreitet die Vorwürfe.

Darren T. sollte ein wenig Licht ins Dunkeln bringen, hat nun aber abgesagt. Er beruft sich auf den Paragraphen 55 der Strafprozessordnung. Der erlaubt es, die Aussage zu verweigern, wenn man sich womöglich selbst belasten müsste. Woher aber sein Sinneswandel kommt, 2019 noch auszusagen und 2021 nicht mehr zu kommen? Hinweise deuten darauf hin, es könnte mit einem Schriftsatz zu tun haben, der auch einen anderen Kronzeugen schon ins Schwitzen brachte. Die bayerische Finanzverwaltung will mehr als 300 Millionen Euro von Caceis, einer Tochtergesellschaft der französischen Crédit Agricole, wegen Cum-Ex-Geschäften. Die wiederum will von T. und anderen Cum-Ex-Akteuren mehr als 300 Millionen Euro eintreiben, um die Zahlungen auszugleichen. Darren T. will sich erst einmal darüber klar werden, was das für ihn bedeutet. An seiner grundsätzlichen Haltung, mit den Ermittlern zu kooperieren, ändere das aber nichts, erklärt sein Verteidiger auf Anfrage.

Bereits ein anderer Kronzeuge hatte vor dem Landgericht von der Klage berichtet, in der sich Caceis darauf beruft, dass die Cum-Ex-Akteure die Bank hinter die Fichte geführt hätten. Den Kronzeugen S. machte diese Aussage merklich wütend. Ihm zufolge haben die meisten Personen gewusst, dass es darum ginge, Geschäfte zu Lasten des Staats zu tätigen. Entsprechend habe er die Bank angezeigt - wegen versuchten Prozessbetruges.

Weil Darren T. nun abgesagt hat, hat das Landgericht Bonn auch die beiden Verhandlungstage abgesagt, an denen er hätte aussagen sollen. Weiter geht es vor dem Landgericht Bonn im zweiten deutschen Cum-Ex-Prozess erst Ende Januar.

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