Medizintechnik:"Solche Geräte lassen sich nicht von jetzt auf gleich herstellen"

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Ein künstlich beatmeter Patient in einem Krankenhaus in Düsseldorf. (Foto: Olaf Döring/Imago)

Im Zuge der Corona-Pandemie steigt die Nachfrage nach medizinischem Gerät. Firmen für Beatmungs- und Sauerstoffgeräte steigern ihre Produktionen - doch die hat Grenzen.

Von Elisabeth Dostert

In den vergangenen Tagen gab es beim Medizintechnikverband Spectaris immer mal wieder Anrufe aus dem Bundesgesundheitsministerium oder von anderen Institutionen. Wer denn die größten Hersteller von Geräten für die Intensivmedizin sind, war eine der Fragen. Im Ministerium wird gerade der Bedarf an solchen Geräten für unterschiedliche Szenarien ermittelt. Das Interesse an medizinischem Gerät ist sprunghaft gestiegen, denn mit der Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 und der Lungenkrankheit Covid 19 wächst die Sorge, dass es in deutschen Krankenhäusern, aber auch Praxen an der Technik fehlt, um Menschen intensiv- und notfallmäßig zu versorgen.

In Deutschlands Krankenhäusern gibt es nach Angaben von Spectaris rund 28 000 Intensivpflegebetten. Zur Ausstattung einer Intensive Care Unit (ICU) gehört viel mehr als Beatmungsgeräte. Um die Betten herum stehen Sauerstoffgeräte, Monitore, an denen die Vitaldaten des Patienten verfolgt werden können, oder Geräte zur Blutdialyse. "Noch ist alles vorhanden und es stehen ausreichend Intensive Care Units zur Verfügung, aber wenn die Zahl der Infizierten und damit der Bedarf an ICUs steigt, kann es über kurz oder lang zu Engpässen kommen", sagt ein Sprecher des Verbandes: "So lange es uns gelingt, die Kurve der Neuinfektionen flach zu halten, ist alles gut. Wenn nicht, wird's schwierig, denn solche Geräte lassen sich nicht von jetzt auf gleich herstellen."

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Einer der großen Hersteller von Beatmungsgeräten und anderen Geräten für die Intensivmedizin ist das börsennotierte Familienunternehmen Dräger. "Wir sehen eine weltweit erhöhte Nachfrage nach Beatmungsgeräten sowie einen vermehrten Bedarf an Zubehörprodukten für die Beatmung", sagt eine Sprecherin. Dabei handele es sich zum Beispiel um Atemschläuche, Filter, Beatmungsmasken und weitere Zubehöre für die Sauerstofftherapie. Von der Bundesregierung hat der Konzern einen Auftrag über 10 000 Beatmungsgeräte erhalten. Die Abwicklung werde sich "über das ganze Jahr erstrecken". Dazu werde die Produktionskapazität in Lübeck erheblich ausgeweitet. Außerdem liefere Dräger an die Bundesregierung persönliche Schutzausrüstung für das Personal in Krankenhäusern. Auf das Ergebnis würden sich die Aufträge positiv auswirken. Die Beatmungsgeräte produziere Dräger in Lübeck, so eine Sprecherin. Teile beziehe der Konzern aus dem weltweiten Lieferantennetz, unter anderem aus Asien. "Engpässe aufgrund der globalen Lieferketten und reduzierten Transportkapazitäten können nicht völlig ausgeschlossen werden", teilte das Unternehmen mit. Der Mittelständler Moldex aus der Nähe von Stuttgart hat längst seine Produktion hochgefahren. Die Firma liefert Atemschutzmasken und Gehörschutz. "Ende Januar/Anfang Februar stieg die Nachfrage nach Masken aus Europa sprunghaft an, weil kein Nachschub mehr aus China kam", sagt Unternehmer Torben Skov. China ist ein wichtiges Produktionsland, braucht die Masken aber nun selbst. Moldex produziert mit 450 Mitarbeitern in Deutschland und Tschechien. "Wir machen alles selbst, auch die Strickbänder und die Filter." In "normalen" Zeiten gehen die Atemschutzmasken über den Großhandel in die Industrie und an Pharmahersteller. Die werden auch immer noch beliefert, "so gut es eben geht." Die Masken der Schutzklassen FFP2 und FFP3 schützen die Arbeiter unter anderem vor Stäuben und Chemikalien.

"Im Grunde ist ein Virus auch ein Schadstoff", erläutert Skov. Ein Großteil der Produktion - "eine sechsstellige Zahl an Masken wöchentlich - geht mittlerweile an die zentrale Einkaufsstelle des Bundes. Absolute Zahlen will der Unternehmer nicht nennen. "Wir haben die Produktion um 50 Prozent erhöht, das ging nur, weil die Mitarbeiter mitgezogen haben", sagt Skov. Das reicht aber immer noch nicht, um die Nachfrage zu erfüllen. Am Dienstag saß Skov zusammen mit anderen Herstellern, darunter auch Dräger und Produzenten von Desinfektionsmitteln und Schutzanzügen, in Berlin bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, um über den Bedarf an Masken, Schutzanzügen und Desinfektionsmitteln zu reden. Vor dem Exportverbot, das mittlerweile für Atemmasken und Schutzanzüge gilt, gab es auch Anfragen aus China. "Die wollten gleich ein paar Millionen Stück.

Solche Volumina können wir nicht liefern." Eine Prognose mag Skov nicht abgeben. "Wir hatten Sars, die Vogelgrippe und die Schweinegrippe. Nach ein paar Wochen hat die Nachfrage wieder nachgelassen. Dieses Mal fühlt es sich anders an", sagt Skov. "Jetzt rufen auch Klinken bei uns an und wollen Masken. Meine Vertriebsleute können das gar nicht leisten." Deshalb hält Skov staatliche Verteilerstellen für das Richtige. "Wichtig ist, dass die Atemschutzmasken bei den Menschen landen, die sie wirklich brauchen: bei Ärzten, Pflegern und Krankenschwestern und nicht bei Privatpersonen, die sie dann im Keller horten."

© SZ vom 14.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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