Conti-Kontrolleur Grünberg:Der Zauberlehrling

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Die EU-Kommission genehmigt den Einstieg des Mittelständlers Schaeffler beim Dax-Konzern Continental, doch hinter den Kulissen brodelt es. Mittendrin: Conti-Chefkontrolleur Hubertus von Grünberg.

Melanie Ahlemeier

Die Geister, die er rief, wird er nicht mehr los: Frei nach Johann Wolfgang von Goethe ist Hubertus von Grünberg der Besen, der die Geister animiert hat - die dann zu selbstständig werden und sich nicht bremsen lassen.

Conti-Aufsichtsratschef Hubertus von Grünberg holte den Mittelständler Schaeffler ins Haus - und ist darüber nicht mehr glücklich. (Foto: Foto: dpa)

Beim Unternehmen Continental, dem der Adelsmann als Aufsichtsratschef von höchster Stelle aus dient, geht Grünberg derzeit aufs Ganze. Er will den neuen Großaktionär, die Gruppe der fränkischen Unternehmerin Elisabeth-Maria Schaeffler, rasch wieder loswerden. Die 67-Jährige wiederum möchte den Oberkontrolleur des Autozuliefers aus Hannover aus dem Amt jagen - natürlich so schnell wie möglich.

Ein schmutziger Machtkampf legt die beiden Firmengruppen Conti und Schaeffler lahm, eine Schlammschlacht, in der täglich mit neuen Finten und Volten zu rechnen ist. Beide Kontrahenten haben sich verzockt und über ihr Machtstreben Milliarden Euro an Schulden angehäuft. Im Existenzkampf geht es nun darum, den anderen scheitern zu lassen.

Dem eigenen Konzernchef in den Rücken gefallen

Es ist auch ein Kampf Grünberg gegen Schaeffler. Dabei galt der studierte Mathematiker und Physiker von Conti lange Zeit als Strippenzieher, der den großen Deal mit der bis dato bundesweit unbekannten fränkischen Fabrikantin Schaeffler eingefädelt hatte. Ja, der sich sogar auf die Seite des angreifenden Mittelständlers schlug und dem eigenen Konzernchef Manfred Wennemer in den Rücken fiel.

Im Sommer geißelte der damalige Conti-Chef Wennemer den Angriff Schaefflers als "selbstherrlich, egoistisch und verantwortlos" - und Grünberg agierte gegen seinen eigenen Top-Manager. "Vernunft ist angesagt, nicht Kampf um jeden Preis", sagte Grünberg damals. Das war am 21. Juli.

Beobachter wunderten sich, wie es denn sein könne, dass ein Oberkontrolleur im Grunde genommen sein eigenes Unternehmen quasi "verrät". Der Rest ist Geschichte: Nur einen Monat später wurde die Einigung verkündet, Schaeffler stockte sein Angebot auf 75 Euro je Aktie auf - und Wennemer ging.

Jetzt, rund um die Genehmigung der EU-Kommission zur Übernahme des Autozulieferers Continental durch die Schaeffler-Gruppe, gilt die Beziehung zwischen Grünberg und den Franken als massiv gestört. Manche sagen sogar, der Streit zwischen Conti und Schaeffler sei eskaliert. Grünberg, so ist in Branchenkreisen zu hören, spiele ein doppeltes Spiel. Von Kontrollverlust ist die Rede, und davon, dass er den "alternden Despoten" gebe.

Dabei galt der Aufsichtsratschef, der zugleich als Präsident des schweizerischen Industriekonzerns ABB tätig ist, bis dato als einer der einflussreichsten deutschen Manager. Und als einer der härtesten. Vertraute nennen den Mann gar einen "schöpferischen Zerstörer". Erst vor wenigen Monaten widmete die Wirtschaftswoche Grünberg ein langes Porträt unter der wenig schmeichelnden Überschrift: "Der weiße Hai unter Deutschlands Managern".

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Grünberg einen guten Draht zur Schaeffler-Chefin hatte.

Über Jahre hinweg hatte der 66-Jährige vor allem zu Firmenchefin Maria-Elisabeth Schaeffler einen exzellenten Draht. Kurz nach dem Tod ihres Mannes wurde Grünberg ihr persönlicher Berater. Von 1996 bis 1998 stand er der "Kugellagerlady" zur Seite.

Sogar seine Wochenenden verbrachte Grünberg am Firmensitz im fränkischen Herzogenaurach - was im Falle der hochgewachsenen Blonden mit einem Faible für Hunde (ihr gehören neben einem Dobermann und einem Yorkshire auch zwei Koreaner) schon was heißen will. Die Dame schenkt nur wenigen Menschen ihr Vertrauen. "Man muss aufpassen, wem man vertraut", sagte sie erst kürzlich in einem ausführlichen Interview mit der FAS.

Grünberg hatte die Einigung zwischen Schaeffler und dem dreimal größeren Dax-Unternehmen Conti immer favorisiert. Ein stabiler Großaktionär sollte Ruhe in das Unternehmen bringen und so ein "zweites Bosch" entstehen lassen - ein Unternehmen also, das nicht von Aktienkursen und Analysten getrieben wird.

Selbst nach seinem Abschied vom Conti-Vorstandsvorsitz im Jahre 1999 mischte sich Grünberg fleißig in die Konzernpolitik ein; als Vorsitzender des Conti-Aufsichtsrats hatte er dazu schließlich viele Gelegenheiten. Mit seinem direkten Nachfolger Stephan Kessel überwarf er sich, der Mann ging 2001. Bei der Konsolidierung des Dax-Konzerns zu Beginn des neuen Jahrtausends mischte Grünberg im Hintergrund ebenfalls kräftig mit.

Schwer zu durchschauen

Der Chefaufseher ist ein schwer zu durchschauender Typ. Auf der einen Seite hat er einst im Top-Management den Boden für den heutigen Dax-Konzern Conti bereitet. Auf der anderen Seite ist er in der Rolle des Aufsichtsratschefs schon länger umstritten. Das hat auch mit seiner Funktion beim Schweizer Technologiekonzern ABB zu tun, wo er den erfolgreichen und beliebten Konzernchef Fred Kindle aus dem Amt hievte - ohne Grund, wie es in der Schweiz heißt.

Bei Goethes Zauberlehrling steht am Ende alles unter Wasser, nur der in letzter Minute heim kommende Zaubermeister kann den kirre gewordenen Lehrling in Besen-Gestalt den Gar ausmachen. Bei Grünberg geht das nicht so einfach, die EU-Kommission hat den Einstieg Schaefflers bei Conti am Freitagabend genehmigt.

Der Meister kommt zu spät nach Hause.

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