Computerspiel-Turnier-Veranstalter:"Das ist eine Sportveranstaltung, nichts anderes"

Lesezeit: 4 Min.

Szene vom "ESL One" in Frankfurt. (Foto: Matthias Huber)

25.000 Gäste und eine halbe Million Zuschauer im Livestream hat das Computerspiel-Turnier "ESL One" angelockt. Veranstalter Ralf Reichert erklärt im Interview, warum E-Sport eine der erfolgreichsten Sportarten weltweit werden könnte - und auch öffentliche Förderung verdient.

Von Matthias Huber, Frankfurt am Main

Ralf Reichert, 39, ist Geschäftsführer und Gründer der Kölner Firma Turtle Entertainment. Sie ist unter dem Namen Electronic Sports League (ESL) einer der zwei international größten Veranstalter für professionelle Computerspiel-Turniere. Auf dem Online-Streamingdienst Twitch.tv werden diese Turniere international live übertragen. In der Frankfurter Commerzbank-Arena geht es an diesem Wochenende um mehr als 200.000 Euro Preisgeld.

Gespielt wird Dota 2, ein Spiel von Valve, der Firma hinter dem Online-Marktplatz Steam. Teams von fünf Spielern treten in einer virtuellen Arena (Multiplayer online battle arena, kurz: Moba) mit Kämpfern, Zauberern und allerlei Fabelwesen gegeneinander an und versuchen, mit geschicktem Teamwork die Festung der gegnerischen Mannschaft zu erobern. Ein weiteres populäres Spiel des Moba-Genres ist League of Legends (LoL) vom Spieleentwickler Riot Games. In den nächsten Monaten bringt Warcraft-Entwickler Blizzard mit Heroes of the Storm ebenfalls ein Moba auf den Markt.

Herr Reichert, wie viele Zuschauer sind denn ins Stadion in Frankfurt gekommen?

Am Samstag hatten wir etwa 12.500 Besucher, am Sonntag mindestens noch einmal etwa die gleiche Zahl. Wenn man diejenigen herausrechnet, die ein Zwei-Tages-Ticket haben, dürften wir auf mehr als 20.000 Menschen kommen, die eine Karte gekauft haben. Vor drei Monaten kamen zu unserem LoL-Turnier in der Basketball-Halle von Kattowitz 70.000 Menschen. Das war eine noch größere Veranstaltung.

Ein Fußballstadion für ein ganzes Wochenende... Womit verdient Ihre Firma, die Electronic Sports League, denn dafür genug Geld?

Es ist genau wie im Fußball. Dort gibt es vier Einnahmequellen: Die Tickets, die Sponsoren, die TV-Lizenzrechte - bei uns sind das die Online-Zuschauer - und das Merchandise. Das ist bei uns zwar nicht zu jeweils 25 Prozent verteilt, aber keiner dieser Posten ist im einstelligen Prozentbereich. Unser Budget ist knapp siebenstellig, und auch wenn wir mit unserem Geschäftsmodell noch nicht reich werden, sind wir doch profitabel.

Sie rechnen also wie ein Sportveranstalter.

Das ist eine Sportveranstaltung, nichts anderes. E-Sport ist der größte im Mainstream unbeachtete Sport, den es gibt. Wenn man sich die Zuschauerzahlen anschaut, dann wird das auch offensichtlich: Für das Turnier in Kattowitz hatten wir in den Livestreams mehr als eine Million gleichzeitige Zuschauer, hier in Frankfurt waren es schon bei den Vorrundenspielen mehr als 400.000 - bei den Finalspielen am Sonntag dürfte das noch deutlich nach oben gehen. Es gibt nicht einmal zehn Sportarten auf der Welt, die diese Größenordnungen regelmäßig erreichen. Hier im Stadion sind Zuschauer aus mehr als 60 verschiedenen Ländern. Das gibt es bei der Fußball-Weltmeisterschaft und bei Olympischen Spielen, aber sonst dürfte das kaum ein Sportereignis schaffen.

Damit der E-Sport weiter in die Gesellschaft hineinwächst, muss aber die jetzige Kernzielgruppe noch etwas älter werden, oder?

Um eine der fünf erfolgreichsten Sportarten der Welt zu sein? Ja. Aber da geht es auch um unsere Öffentlichkeitsarbeit, die Berichterstattung in der Presse, das Interesse der Sponsoren. Wir sehen unsere Aufgabe darin, diese Entwicklung zu fördern und zu beschleunigen. Aber ich bin davon überzeugt, dass sie insgesamt unaufhaltsam ist.

Der Sport-Vergleich wirft ein paar ganz grundsätzliche Fragen auf. Zum Beispiel die nach der öffentlichen Förderung, die der Sport genießt. Für E-Sport gilt das in fast allen westlichen Ländern nicht. Fehlt das für Sie als Veranstalter?

"ESL One"-Veranstalter Ralf Reichert auf dem E-Sport-Turnier. (Foto: Matthias Huber)

Natürlich, weil es viele Dinge einfacher machen würde und die Entwicklung beschleunigen würde. Meine kurzfristige Hoffnung, dass sich das ändern wird, ist klein. Langfristig bin ich aber ganz entspannt: Ich weiß, dass es diese Förderung irgendwann geben wird.

Die öffentliche Förderung von traditionellem Sport wird unter anderem mit dem Gesundheitsaspekt begründet. Der ist auf E-Sport schwer zu übertragen, oder?

Der mentale Gesundheitsaspekt ist sehr, sehr hoch. E-Sport hat eine physische Komponente, es geht um Geschicklichkeit und Schnelligkeit, man kommt dabei ins Schwitzen. Natürlich ist diese physische Komponente deutlich geringer als bei Fußball oder einem Marathon. Dafür ist die intellektuelle und soziale Komponente - Dota 2 ist ja ein Teamspiel - extrem hoch. Förderbar ist E-Sport in jedem Fall. Schach oder Sportschießen sind auch förderbare Sportarten, und die liegen in fast allen dieser Aspekte deutlich hinter dem E-Sport.

Im E-Sport gibt es bislang keine Vereine, stattdessen besitzen die Spielehersteller das Urheberrecht über die einzelnen Disziplinen, also die einzelnen Spiele. Steht auch das einer öffentlichen Förderung im Weg?

Welche Rolle die Spielehersteller einnehmen werden, muss man noch abwarten, bisher profitieren sie von der Werbung durch unsere Veranstaltungen und arbeiten eng mit uns zusammen. Mit dem fehlenden Vereinswesen hat das nichts zu tun. Vereine waren für traditionelle Sportarten notwendig, weil die Leute sich an einer Sportstätte treffen mussten, um dort ihren Sport ausüben zu können. E-Sport findet dagegen meist online statt. Das macht den E-Sport sehr international. Diese Vereinsstruktur wird es dort also wahrscheinlich auch nicht geben, weil sie gar nicht gebraucht wird. Aber andere Länder, beispielsweise die USA, kommen ja auch bei traditionellen Sportarten ohne ein nennenswertes Vereinswesen aus.

Wenn die Veranstaltung so global ist und die Disziplin sowieso online: Wie wichtig ist es dann überhaupt, ein Live-Event zu veranstalten?

Wir geben den Spielern ein Gesicht und eine Bühne. Das ist für jeden Sportler und für jeden Künstler unglaublich wichtig. Außerdem: Warum fährt man auf ein Musikfestival? Weil man eine gemeinsame Erfahrung mit Gleichgesinnten haben will. Die Zuschauer genießen dieses gemeinsame Erlebnis. Und die Bilder, die wir mit so einem Live-Event generieren, kann man nur über eine Live-Übertragung nicht erzählen. Man hört den Applaus und Jubel der Fans hier in Frankfurt auch noch einen Kilometer entfernt, als würde hier Fußball gespielt. Das ist genauso wertvoll wie die hohen Abrufzahlen der Online-Übertragungen, weil so auch das Publikum öffentlich wahrgenommen wird.

Das Team "Mousesports" gibt Autogramme. (Foto: Matthias Huber)
© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: