Der erste Warnschuss kam 2010: Schon vor sechs Jahren schreckten Experten für Höchstleistungsrechner auf, als sich eine Anlage mit dem poetischen Namen "Milchstraße" einigermaßen überraschend an die Spitze der schnellsten Supercomputer der Welt setzte. Doch was die chinesische Delegation nun auf der International Supercomputing Conference (ISC) in Frankfurt ankündigte, geht weit darüber hinaus.
Nicht nur haben die Wissenschaftler des Nationalen Zentrums für Höchstleistungsrechnen in Wuxi den mit Abstand schnellsten Supercomputer der Welt gebaut. Auch was die Anzahl an Supercomputern angeht und somit die gesamte verfügbare Rechenleistung solcher Anlagen, liegt China nun erstmals vor den USA.
"Das Signal das von dieser Konferenz ausgeht, ist wie eine Art Schock", sagt Arndt Bode. Der Informatikprofessor, 67, leitet das Leibniz-Rechenzentrum in Garching bei München, wo einige von Deutschlands schnellsten Supercomputer-Anlagen stehen. China, sagt er, sei "offenbar gewillt, massiv in Zukunftstechnologien zu investieren." Das Besondere daran: Die chinesischen Wissenschaftler haben nicht etwa mit viel Geld im Westen eingekauft und importierte Hochtechnologie zusammengeschraubt.
Historische Rechner:Wie die Computer-Revolution begann
Der Apple Macintosh war der erste Massencomputer mit grafischer Benutzeroberfläche sowie der Kombination aus Tastatur und Maus. Computer-Sammler Erik Klein hat ihn auch in seiner Sammlung - zusammen mit bedeutenden Modellen aus der Zeit, bevor die digitale Ära begann.
Die Anlage "Sonnenweg Taihulight", benannt nach einem See in der Nähe des Forschungszentrums, baut auf Chips auf, die in China entwickelt wurden. Sie enthalten pro Chip 260 einzelne Rechenkerne, die parallel angesprochen werden und bestimmte Rechenvorgänge drastisch beschleunigen können. Und nicht nur das: Auch die Software, mit der diese Chips angesprochen werden, ist eine Eigenentwicklung. Sie ist nicht kompatibel zu derjenigen, mit der etwa Prozessoren von Intel ihre Befehle erhalten.
"So schlecht standen die USA noch nie da"
Der Sonnenweg-Supercomputer erreicht eine theoretische Maximalleistung von gut 93 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde. Zum Vergleich: Deutschlands derzeit schnellstes System, Hazel Hen (Stuttgart), schafft gerade einmal 7,42 Billiarden und liegt damit auf Platz neun. Amerikas schnellstes System, "Titan" im Oak Ridge National Lab, schafft 17,8 Billiarden (Platz drei). China, das auch den zweitschnellsten Rechner stellt, hat die USA aber nicht nur an der Spitze abgehängt, sondern auch in der Breite überflügelt.
In der Liste der 500 schnellsten Supercomputer, die auf der ISC veröffentlicht wurde, haben die Chinesen nun 167 Systeme mit einer Gesamtleistung von 211 Billiarden Rechenvorgängen pro Sekunde (Petaflops), die USA kommen auf 165 Systeme und 173 Petaflops. "So schlecht standen die USA noch nie da", bilanziert der Supercomputer-Experte Andreas Stiller im Fachportal heise.de. Pläne, um den Rückstand aufzuholen, wurden auch schon in den Kongress eingebracht. Aber warum ist es entscheidend, beim superschnellen Rechnen vorne zu sein? Viele wesentliche Erkenntnisse ließen sich heute nur mit solch unglaublich schnellen Anlagen gewinnen, sagt Supercomputer-Experte Bode.
Chinas neuer Superrechner braucht auch so wenig Energie, dass er Zweiter wurde bei den sparsamsten Anlagen. Einziger Nachteil: Das System kann nur ein Viertel des Speichers vergleichbarer Anlagen nutzen und ist bei speicherintensiven Berechnungen langsamer. Die Sorgen hätten manche gern.