Commerzbank:Abschied nach sieben Monaten

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Hans-Jörg Vetter hatte den Posten des Aufsichtsratschefs erst im August übernommen, nun gibt er ihn aus gesundheitlichen Gründen wieder auf. (Foto: Franziska Kraufmann/dpa)

Aufsichtsratschef Hans-Jörg Vetter tritt überraschend von seinem Amt bei der Commerzbank zurück - aus gesundheitlichen Gründen, wie es heißt.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Die Führungsspitze der Commerzbank hatte sich gerade erst neu formiert, nun steht Deutschlands zweitgrößte Privatbank überraschend wieder ohne Aufsichtsratschef da: Hans-Jörg Vetter, 68, der den Posten erst im August vergangenen Jahres übernommen hatte, erklärte am Dienstag seinen sofortigen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen. Bis zur Wahl eines Nachfolgers werde sein Stellvertreter und Betriebsratschef Uwe Tschäge seine Aufgaben übernehmen.

Der Rücktritt ist ein Schlag für die Bank, an der der Bund seit der Finanzkrise noch mit 15 Prozent beteiligt ist, und die ihre jüngste Führungskrise eben erst überwunden hat. Der Aktienkurs fiel am Dienstag um knapp zwei Prozent. Vetter wollte die Bank eigentlich wieder zum Erfolg führen - im Schulterschluss mit Vorstandschef Manfred Knof. Dessen Vorgänger Martin Zielke und der frühere Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann hatten im Juli nach Kritik von Aktionären und dem Großaktionär Bund überraschend ihre Jobs hingeschmissen. Auf Schmittmann folgte der frühere Landesbanker Vetter, der sich kurz darauf für Knof als Vorstandschef entschieden hatte. Beide hatten die Rückendeckung des Bundes.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, er habe die Nachricht mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Er wünsche Vetter eine schnelle und vollständige Genesung. "Ich bedanke mich sehr für seinen konsequenten Einsatz für die strategische Neuausrichtung der Commerzbank". Über die Nachfolge habe er sich noch keine Gedanken gemacht.

Vetter hat sich einen Namen als Sanierer von Landesbanken gemacht

Im Aufsichtsrat käme theoretisch Vetters Vertrauter Andreas Schmitz infrage. Der 61-Jährige war lange Zeit Deutschland-Chef und später Aufsichtsratschef der Deutschland-Tochter der britischen Großbank HSBC. Von 2009 bis 2013 führte Schmitz als Präsident auch den Bundesverband deutscher Banken. Der Nominierungsausschuss dürfte aber auch außerhalb des Gremiums nach einem Nachfolger suchen. Die Kunst besteht nun darin, jemanden zu finden, der die Strategie des Vorstandes mitträgt.

Für Vetter wird das uneingeschränkt gegolten haben. Erst kürzlich hatte er für 200 000 Euro Commerzbank-Aktien gekauft, um seine Verbundenheit mit dem Institut zu unterstreichen. Für die Commerzbank war er aus dem Ruhestand zurückgekehrt. Zuvor hatte er sich einen Namen als Sanierer zweier Landesbanken gemacht: Von 2009 bis 2016 stand er an der Spitze der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), nachdem das Institut in der Finanzkrise 2008 vom Land und den Sparkassen gerettet werden musste. Davor sanierte er die Bankgesellschaft Berlin, die sich mit Immobiliengeschäften verhoben hatte.

Bei der Commerzbank hatte der Vorstand um Knof gerade erst eine neue Strategie beschlossen, die im Wesentlichen darin besteht, Stellen zu streichen, Filialen zu schließen und nicht mehr um jeden Preis zu wachsen. Außerdem will die Bank die Digitalisierung vorantreiben. 2020 steht unter dem Strich nun erst mal ein Verlust von enormen 2,9 Milliarden Euro, weil Knof die Risikovorsorge für faule Kredite erhöht hatte. Am Aktienmarkt verfing die neue Strategie bislang allerdings noch nicht so recht: Teils waren die Analysten unzufrieden mit dem Tempo des Stellenabbaus, teils mit den Ertragsprognosen, also damit, wie viel die Bank künftig einnehmen will. Der Aktienkurs tritt seither mehr oder weniger auf der Stelle, während alle anderen Banken in Europa von der Hoffnung auf eine Zinswende profitieren.

Das dürfte auch daran liegen, dass die früheren Commerzbank-Chefs ihre Versprechen oft nicht eingehalten haben und die Anleger daher misstrauisch sind. Offenbar droht der Bank bei den Verhandlungen über den Abbau von 7500 Stellen nun auch schon wieder die Zeit wegzulaufen. Laut einem Bericht der Börsen-Zeitung gestalten sich die Gespräche zwischen Personalabteilung und Arbeitnehmervertretern mühsam, auch weil sie wegen der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen per Videoschalte ge­führt würden. Demnach prüfe das Institut derzeit die Gründung einer Transfergesellschaft, die es den Mitarbeitern erleichtern soll, neue Jobs zu finden. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi plädiere dagegen für ein Altersteilzeitprogramm mit langer Laufzeit. Knof will sich bis zur Hauptversammlung am 5. Mai mit den Arbeitnehmern einigen. Dass der Aufsichtsrat mitten in einem Sparprogramm vom Betriebsratschef geführt wird, dürfte die Sache zusätzlich kompliziert machen.

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