Kommentar:Der Bund an ihrer Seite

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Meike Schreiber kann von ihrem Schreibtisch aus auf den Commerzbank-Tower schauen. Spaß macht das nicht immer. Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Die Bundesregierung macht bei der Commerzbank eine katastrophale Figur. Die nächste Regierung sollte die Beteiligung verkaufen und das Schicksal der Bank dem Markt überlassen.

Von Meike Schreiber

Früher wäre die Finanzwelt aufgeschreckt gewesen: Schon wieder wirft bei der Commerzbank ein Verantwortlicher hin. Diese Woche war es Aufsichtsratsmitglied Andreas Schmitz; ein Banker, der gerade erst neu in das Gremium gekommen war. Eigentlich sollte er sogar Aufsichtsratschef der zweitgrößten deutschen Privatbank werden, als Nachfolger von Hans-Jörg Vetter, der wegen gesundheitlicher Probleme zurückgetreten war. Inzwischen aber ist man einiges gewohnt: Die Bank, die sich gerade erst von einer Führungskrise erholt hatte, taumelt in die nächste. So ist es halt.

Man könnte die Personalie daher als Randnotiz abtun, aber sie verweist auf das inzwischen kolossale Unvermögen des Bundes, der das Geldhaus in der Finanzkrise retten musste und seither mit 15 Prozent an der Bank beteiligt ist. Schmitz zum Beispiel trat zurück, weil im Bundesfinanzministerium offenbar erst jetzt aufgefallen war, dass er bei seiner früheren Bank HSBC in Cum-Ex-Steuertricks verwickelt gewesen sein könnte. Dass diese Ermittlungen seit Jahren bekannt waren, zudem Schmitz sicherlich nicht der größte Cum-Ex-Sünder im deutschen Finanzgewerbe war? Egal.

Weil Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Wahlkampf auch nicht annäherungsweise in die Nähe von Cum-Ex kommen wollte, ließ er Schmitz fallen. Der wiederum trat prompt zurück, geräuschvoll, weil er nicht wie erhofft Aufsichtsratschef werden konnte. Die Commerzbank muss nun hektisch gleich zwei Aufsichtsratsposten neu besetzen. Sogar die Hauptversammlung wird verschoben.

Die Bank sollte günstige Kredite geben, als Dank für die Staatshilfe. Aber das ging zulasten der Rendite

Seit der Bund, angeführt von Scholz' Finanzstaatssekretär Jörg Kukies, bei dem Geldhaus durchregiert, ist die Bank, die ohnehin schon erheblich unter Druck stand, vollends ins Chaos gestürzt. Es gibt Pech, wie die Erkrankung von Vetter, aber es gibt auch politische Regentschaft zur Unzeit.

Vielleicht sollte sich die nächste Bundesregierung endlich von der Beteiligung trennen, also die Aktien über die Börse verkaufen - auch wenn die Sache fast zwangsläufig mit Milliardenverlusten einhergeht. Wahrscheinlich hätte der Bund dies schon tun sollen, als die Bank vor sieben Jahren einen Teil der Staatshilfe zurückgezahlt hat. Schließlich war die Beteiligung weder als Investment gedacht noch als industriepolitische Maßnahme, sondern schlichtweg dazu da, um in der Finanzkrise Schlimmeres zu verhindern.

Von Anfang an aber wohnte der Staatsbeteiligung ein Zielkonflikt inne: So hatte sich der Bund zusichern lassen, dass die Bank den deutschen Mittelstand weiter günstig finanziert, als Dank für die Staatshilfe. Das befolgte das Geldhaus artig, was allerdings zulasten der Rendite ging. Als der Aktienkurs vor knapp zwei Jahren nach einem Zwischenhoch wieder deutlich nachgab, griff der Bund dennoch plötzlich ein, ließ eine Unternehmensberatung ein Gutachten verfassen, forderte umfangreiche Informationen an und begann in der Folge - absichtlich oder nicht - mit der schrittweisen Demontage des Managements. Bis Vorstands- und Aufsichtsratschef im Sommer 2020 schließlich holterdiepolter hinwarfen.

Man muss kein Mitleid haben mit der früheren Commerzbank-Führung. Sie hatte es sich auch bequem gemacht bei einer teilstaatlichen Bank, die quasi unter dem Schutz der Bundesregierung steht. Die Art und Weise aber, wie die Sache dann ablief, kostete die Commerzbank massiv Zeit und Reputation. So viel, dass inzwischen nicht klar ist, ob sie sich davon jemals erholt. Vor wenigen Wochen hat der neue Vorstandschef Manfred Knof seine Strategie vorgestellt, die im Wesentlichen der seiner Vorgänger entspricht: Kosten kürzen und hoffen, dass die Erträge stabil bleiben. Wirklich radikal ist der Plan nicht. Der Aktienkurs jedenfalls reagierte bislang verhalten.

Sollte sich der Bund von seinen Commerzbank-Aktien trennen, würde es wohl für die Bank zunächst teurer, sich am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Vielleicht würde das Institut dann zu dem Übernahmeobjekt, als das es schon lange gehandelt wird. Ob das passiert und wer die Commerzbank übernimmt, diese Frage aber sollte der Markt beantworten. Der Fall Wirecard hat eindrücklich gezeigt, dass es in der Regel schiefgeht, wenn der Staat versucht, nationale Champions zu züchten. Die Finanzierung des Mittelstandes in Deutschland würde jedenfalls nicht zusammenbrechen, zöge sich der Bund zurück.

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