Das Bundeskartellamt hat im zweiten Teil des Schienenkartell-Verfahrens gegen acht Unternehmen knapp 100 Millionen Euro Bußgeld verhängt. Damit würden Absprachen zulasten von Nahverkehrsunternehmen, von Privat-, Regional- und Industriebahnen sowie von Bauunternehmen geahndet, erklärte der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt. Um Absprachen zulasten der Deutschen Bahn sei es in diesem Teil des Verfahrens nicht mehr gegangen.
Den größten Anteil in Höhe von 88 Millionen Euro muss ThyssenKrupp berappen, wie die Behörde mitteilte. Die österreichische Voestalpine muss 6,4 Millionen Euro zahlen, die Braunschweiger Firma Schreck-Mieves zwei Millionen Euro. Fünf weitere Unternehmen der Eisenbahn- und Gleistechnik erhielten Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt 1,24 Millionen Euro. Die Ermittlungen gegen ein weiteres Unternehmen dauern laut Bundeskartellamt noch an. Die verhängten Geldbußen sind noch nicht rechtskräftig. Es kann Einspruch eingelegt werden
Die Firmen sollen in den vergangenen drei Jahrzehnten zusammen mit weiteren Lieferanten die Preise für Schienen und Weichen heimlich abgesprochen haben - und so neben der Deutschen Bahn auch viele kommunale Verkehrsbetriebe um viel Geld erleichtert haben. Das Kartell hat offenbar überall zugeschlagen, wo Schienen in größeren Mengen gekauft werden. Ermittlungsunterlagen zufolge sogar bei den Harzer Schmalspurbahnen (HSB), die auf einem Streckennetz von 140 Kilometern Züge mit Dampf- und Dieselloks fahren lassen, teils als Touristenattraktion bis auf den Brocken.
"Die Absprachen zielten darauf ab, Ausschreibungen beziehungsweise Projekte unter den Kartellbeteiligten aufzuteilen", sagte Kartellamtspräsident Mundt. In weit mehr als 100 Fällen sollen kommunale Nahverkehrsgesellschaften aus ganz Deutschland Opfer des Kartells gewesen sein.
Deutsche Bahn fordert Hunderte Millionen
Neben den kommunalen Verkehrsbetrieben macht vor allem die Deutsche Bahn noch Millionenansprüche gegenüber den Kartellmitgliedern geltend. In einem ersten Verfahren hatte das Kartellamt Bußgelder über insgesamt 124,5 Millionen Euro verhängt, wovon ThyssenKrupp mit etwa 100 Millionen Euro den größten Teil zahlen muss. Insgesamt will die Bahn bis zu 850 Millionen Euro eintreiben. Auf Thyssen-Krupp würden voraussichtlich etwa 400 Millionen Euro entfallen, da der Stahlkonzern mehr als die Hälfte der überteuerten Schienen geliefert haben soll.
Thyssen-Krupp ist nach Verlusten in Milliardenhöhe bei zwei Stahlwerken in Brasilien und den USA finanziell angeschlagen. Zuletzt verschärfte der Konzern sein Sparprogramm und kündigte an, 3000 Stellen in der Verwaltung zu streichen, etwa die Hälfte davon in Deutschland. Bis 2014/2015 will das Unternehmen weitere zwei Milliarden Euro einsparen.